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Baden-Württemberg vereinfacht Kreditvergabe für Senioren und junge Familien

Bildquelle: Bundesrat


Der Bundesrat hat sich in dieser Woche mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in nationales Recht beschäftigt. Hinter dem langen Begriff verbergen sich Regelungen zu pragmatischen Fragen: Wann bekommen ältere Menschen einen Kredit, um ihre Eigentumswohnung seniorengerecht umzubauen - und wann nicht? Nach welchen Vorgaben erhalten junge Familien für die Anschaffung des eigenen Häuschens ein Darlehen? Mit dem aktuellen Beschluss der Länderkammer wird die Kreditvergabe vereinfacht. Das geht auf eine Initiative Baden-Württembergs zurück.

Was wurde im Bundesrat genau beschlossen?

Die Vertreterinnen und Vertreter der Länder haben in Berlin über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung abgestimmt; der Bundestag hatte bereits Ende März mehrheitlich dafür gestimmt. Nachbesserungen an der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie sind damit beschlossene Sache. Vor allem für Ältere, für Familien und Selbstständige mit schwankendem Einkommen soll es wieder einfacher werden, einen Immobilienkredit zu bekommen.

Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung war eine Initiative im Bundesrat vorangegangen, mit der sich Baden-Württemberg, Hessen und Bayern für die Verbesserungen eingesetzt hatten. Die Bundesregierung hat reagiert und einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Darin wurden die Forderungen aus der Bundesratsinitiative aufgegriffen. Für Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann zählt weniger, wessen Gesetzentwurf nun umgesetzt wird. Ihr geht es ums Ergebnis: „Verbesserungen bei der Kreditvergabe waren dringend nötig. Denn die bisherigen, überzogenen Regeln haben es vor allem jungen Familien, älteren Menschen und Selbstständigen mit schwankendem Einkommen nahezu unmöglich gemacht, einen Kredit zu erhalten“, sagt sie. „Diese Hindernisse werden aus dem Weg geräumt. Darauf kommt es an.“

Weshalb waren die Nachbesserungen notwendig?

Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie aus dem Jahr 2014 musste - wie alle EU-Richtlinien - innerhalb einer Frist in den einzelnen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei gilt: Weniger geht nicht, mehr dagegen schon. 

Genau das ist bei der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht geschehen. Seit dem 21. März 2016 galten in Deutschland Regeln, die deutlich weiter gingen als in der Richtlinie vorgeschrieben. Statt Verbraucherinnen und Verbraucher angemessen zu schützen und ihnen eine transparente und verantwortungsvolle Kreditaufnahme zu ermöglichen, wurde sie für einige von ihnen nahezu unerreichbar. Statt einer Immobilienblase und einer Finanzkrise vorzubeugen und die Finanzstabilität zu sichern, wurden einige Menschen ohne Not von der Kreditvergabe ausgeschlossen. 

Denn die Frage der Kreditwürdigkeit wurde bei der Umsetzung in deutsches Recht noch enger an die Person geknüpft, die den Kredit bekommen soll, als von der EU vorgegeben. Ausschlaggebend war allein, ob ein Darlehen während der Laufzeit mutmaßlich zurückgezahlt werden kann. Und das bei all den Unwäg- und Unplanbarkeiten, die das Leben mit sich bringt. Die Immobilie, für die der Kredit aufgenommen wird, spielte als Sicherheit kaum noch eine Rolle.

So konnte es passieren, dass beispielsweise einem Paar - Anfang und Mitte 70, gesichertes Einkommen aus der Rente mit längst abbezahlter Maisonette-Eigentumswohnung - ein Kredit für den seniorengerechten Umbau der Wohnung ausgeschlagen wurde. Der Grund: Es ist nicht auszuschließen, dass beide vor dem Ende der Darlehenslaufzeit sterben. Auch manche junge Familien hatten ein Nachsehen. Denn Arbeitslosigkeit oder eine Trennung könnten sie womöglich einmal an der regelmäßigen Rückzahlung eines Immobilienkredits hindern.
„Die bislang geltende Umsetzung der Wohnimmobilienrichtlinie hat vielen Menschen in Deutschland eine selbstbestimmte Lebensgestaltung unnötig schwer gemacht“, stellt Finanzministerin Sitzmann fest. „Das haben wir mit kleinen Anpassungen korrigieren können. Am Ansatz der EU-Richtlinie, nämlich Verbraucherinnen und Verbraucher vor Überschuldung und Banken vor faulen Krediten zu bewahren, ändert sich nichts.“

Hat die erschwerte Kreditvergabe zu einem Rückgang der Darlehensverträge geführt?

Seit die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft ist, ist etwa ein Jahr vergangen. Das ist ein knapper Zeitraum, um verbindliche Aussagen über längerfristige Entwicklungen treffen zu können. Doch einzelne Erhebungen und Erfahrungswerte von Banken und Sparkassen legen nahe, dass die Kreditinstitute ihre Konditionen für die Vergaben von Immobilienkrediten verschärft haben. 

Haben die neuen Regelungen auch Auswirkungen auf Kreditnehmer, die ihr Darlehen bereits vor längerer Zeit aufgenommen haben?

Leider noch nicht. Denn gerade bei laufenden Krediten kann die bisher geltende Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu bösen Überraschungen führen. Wer sich um eine Anschlussfinanzierung oder eine Umschuldung für einen seit Jahren laufenden Kreditvertrag bemüht, dessen Kreditwürdigkeit muss nach geltender Rechtslage nach den verschärften Regelungen geprüft werden. Fällt die Prüfung negativ aus, könnte die Anschlussfinanzierung scheitern, der Kreditvertrag platzen und die Immobilie verloren sein. Dieses Risiko soll durch Nachbesserungen an der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie minimiert werden.
Die dafür erforderlichen Erleichterungen bei der Anschlussfinanzierung und Umschuldung sind noch nicht Teil des beschlossenen Gesetzes. Der Bundesrat fordert deshalb auf Antrag Baden-Württembergs, dass dies zeitnah nachgebessert wird.

Ab wann gelten die Nachbesserungen an der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie?

Das Gesetz mit den Nachbesserungen tritt am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Es enthält noch weitere Regelungen aus dem Finanzbereich. Der komplette Titel des Gesetzes lautet deshalb: „Gesetz zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts im Bereich der Maßnahmen bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems und zur Änderung der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie“ oder kurz: Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz.

Die Verordnung mit den Regelungen zur Anschlussfinanzierung und Umschuldung ist nicht Bestandteil des Gesetzes. Sie wird vom Bundesjustizministerium erlassen. Die Länder sind an dem Verfahren nicht beteiligt.

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