Herkömmliche Anforderungen und herkömmliche Strukturen - neue Anforderungen und neue Strukturen?
Gemäß den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit prüft das Finanzministerium, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende Tätigkeiten ausgegliedert oder privatisiert werden können.
Maßstab einer Privatisierung ist, ob nichtstaatliche Stellen, z.B. mittelständische Unternehmen, eine bestimmte Aufgabe ebenso gut oder besser erledigen können. In enger Zusammenarbeit mit den Ministerien und aufgrund sonstiger Impulse aus Politik und Verwaltung wird untersucht, ob noch Bedarf an der jeweiligen Leistung besteht und ob zwingend das Land die Leistung erbringen muss.
Wird letzteres bejaht, entwickelt das Ministerium die im Einzelfall optimale Organisationsform und realisiert diese gemeinsam mit dem fachlich zuständigen Ministerium. Häufig ist eine Kombination öffentlich-rechtlicher und privatwirtschaftlicher Organisationselemente erforderlich. Eine Fülle rechtlicher und politischer Vorgaben und Gestaltungsspielräume sind so zu verknüpfen, dass ein größtmöglicher Mehrwert erzielt wird. Über den Einsatz betriebswirtschaftlicher Methoden hinaus sind Gesellschafts-, Handels- und Steuerrechtsfragen zu bewältigen. Neben verfassungs- und haushaltsrechtlichen Vorgaben sind europarechtliche Einflüsse und insbesondere vergaberechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Im Beamten- und Arbeitsrecht werden u.a. Aspekte der betrieblichen und Unternehmensmitbestimmung bedeutsam.
Die Untersuchung einer Landeseinrichtung mündet nicht immer in eine Umwandlung. Mitunter wird die bestehende Organisationsform bestätigt und über eine Stärken-Schwächen-Analyse werden anderweitige Optimierungspotenziale zu Tage gefördert. Dies geschieht in einem strukturierten Prozess, der nach Möglichkeit alle Beteiligten einbindet. Hierbei werden die für den Veränderungsprozess relevanten Stellen koordiniert und langjähriges Erfahrungs- und Fachwissen wird eingebracht.
Zu den Entwicklungschancen werden Ministerien, Behörden und sonstige Einrichtungen des Landes beraten. Darüber hinaus werden auch länderübergreifende und gemeinsame Vorhaben mit dem Bund oder Privaten durchgeführt.
Kann die öffentliche Verwaltung die an sie gestellten Anforderungen mit herkömmlichen Strukturen nicht optimal erfüllen, kann es erforderlich werden, eine auf den Einzelfall zugeschnittene Kombination aus öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Organisationselementen zu finden und bestehende Einrichtungen entsprechend umzuwandeln, bzw. neue Einrichtungen in einem entsprechenden Rechtskleid zu errichten.
Dabei gilt es über den Einsatz betriebswirtschaftlicher Methoden hinaus, eine Fülle rechtlicher und politischer Vorgaben so zu verknüpfen, dass möglichst alle Beteiligten die neue Struktur und den Veränderungsprozess akzeptieren und für die vorgegebenen Zwecke optimal nutzen können.
Dem Land eröffnen sich privatrechtliche Rechtsformen wie GmbH, KG, Verein oder Stiftung bürgerlichen Rechts und eine breite Palette öffentlich-rechtlicher Rechtsformen (z.B. Anstalt, Stiftung, Körperschaft, Zweckverband) sowie Organisationsformen mit oder ohne „Teilrechtsfähigkeit“ (z.B. Sondervermögen und bestimmte Anstaltsausprägungen) und weitere nicht oder kaum institutionalisierte Formen (z.B. Landesbetriebe, gemeinschaftliche Zusammenarbeit auf der Basis von Verwaltungsabkommen, Stimmbindungsabreden).
Rechtsfähige Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts sind durch Verfassung und allgemeine Gesetze nur in geringem Maße vorgeprägt. Sie können daher flexibel dem konkreten Bedarf angepasst werden und sind in vielfältiger Weise für auf Dauer angelegte Landesaufgaben geeignet. Dies gilt mit Einschränkungen auch für die rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts. Als der Aufsicht des Landes unterstehende Einrichtungen zählen alle diese Rechtsformen zur mittelbaren Landesverwaltung. Mit Ausnahme der Stiftung muss das Land diese juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch Landesgesetze errichten.
Bei der Privatisierung einer Landeseinrichtung sind verschiedene Formen zu unterscheiden. Bei der materiellen Privatisierung übernimmt ein privater Unternehmer eine Aufgabe und erwirbt gegebenenfalls das bisher dem Staat gehörende Vermögen. Bei der formellen Privatisierung bleibt die Aufgabe beim Staat, während das Vermögen einer privatrechtlichen Organisationsform in Landesträgerschaft, z.B. einer GmbH mit dem Alleingesellschafter Land Baden-Württemberg, übertragen werden.
Je nachdem, in welchem Ausmaß ein staatliches Interesse an einer Aufgabe besteht, reicht die Bandbreite der Privatisierung von der Einbindung von Verwaltungshelfern und Beliehenen, die der staatlichen Fachaufsicht unterliegen (z.B. staatlich bestellte Vermessungsingenieure), über gesellschaftsrechtliche Kooperationen mit Dritten bis hin zur Aufgaben- und Ressourcenübertragung an Dritte (z.B. Veräußerung des Rheumazentrums Baden-Baden).
Falls die herkömmlichen Strukturen eine wirtschaftlich optimierte Erledigung von Aufgaben erschweren, die das Land notwendigerweise erbringen muss, stellt sich die Frage, ob die Leistung vom Land selbst zu erbringen ist oder eingekauft werden kann. „Make-or-buy“-Entscheidungen wurden bereits in vielen Bereichen beschritten. So sind Infrastrukturleistungen, wie z.B. die Durchführung des Öffentlichen Personennahverkehrs, ihrer Natur nach in besonderer Weise für eine Vergabe an private Leistungsanbieter geeignet. Hier können grundsätzlich Aufgabenträgerschaft und Durchführung getrennt werden. Die Regie über die Durchführung erfolgt dabei – als deren wesentliches Element – im Rahmen der Aufgabenträgerschaft. Überdies kommt eine formelle Privatisierung (z.B. Medien- und Filmgesellschaft) oder eine Überführung in verselbständigte öffentlich-rechtliche Organisationsformen (z.B. Zentren für Psychiatrie) in Betracht.
Zuweilen ist die formelle Privatisierung auch als Vorstufe einer materiellen Privatisierung zweckmäßig, z.B. wurde das Rheumazentrum Baden-Baden in eine GmbH umgewandelt und die Gebäudebrandversicherungsanstalten zu einer AG fusioniert. Anschließend wurden die Anteile veräußert.