Interview

„Im Kalender steht jetzt: Minister beim Kinderarzt“

Porträt Finanzminister Dr. Danyal Bayaz

Ein Finanzminister, der kürzertritt? Das sorgte für einiges Aufsehen

Im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten verrät Finanzminister Dr. Danyal Bayaz, was sich mit der Geburt seines Sohnes im Amt für ihn verändert hat und wie er nun versucht Familie und Beruf zwischen Stuttgart und München unter einen Hut zu bekommen.

Herr Bayaz, wer bestimmt gerade Ihren Terminkalender? Ihr Vorzimmer oder Ihr Sohn mit seinen Schlafens- und Wachzeiten?

Bayaz: Ich überlasse es meinem Team, meine Termine zu organisieren, aber ich setze private Blocker für persönliche Dinge, die mir wichtig sind. Mein Büro weiß, dass es neben dem Ministersein noch ein anderes Leben gibt, das Freiräume braucht. Nach einem Termin mit der EnBW, steht dann da jetzt zum Beispiel: Minister beim Kinderarzt.

Sind Sie unter der Woche in Stuttgart und am Wochenende bei Ihrer Familie in München?

Bayaz: Das ist jede Woche anders, je nach terminlicher Verpflichtung. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, also wenn Kabinettssitzung oder Plenum im Landtag ist, bin ich fest in Stuttgart. Drumherum bin ich etwas flexibler. Freitags mache ich häufig Homeoffice. Meine Partnerin und ich teilen einen gemeinsamen digitalen Kalender, für den wir mittlerweile auch den Omas einen Zugang eingerichtet haben. So können die sehen, wann Not am Mann beziehungsweise an der Frau ist und sich eintragen, um uns zu unterstützen.

Alte Rollen- und Gesellschaftsbilder sind noch zu stark in manchen verhaftet

Sie hatten nach der Geburt ihres Sohnes angekündigt, sich eine Zeit aus den Geschäften herausziehen zu wollen. Wie gut hat das geklappt?

Bayaz: Unmittelbar nach der Geburt war ich gut zwei Wochen komplett zuhause. Da hatte ich mir ursprünglich mal mehr vorgenommen, aber das war angesichts der neuen Aufgaben nicht möglich. Aber mit viel Koordination und Wochenenden, die wir weitgehend frei gehalten haben, hatte ich wichtige Familienzeit. Ich habe mich stark auf die wesentlichen Termine konzentriert und einige davon digital erledigt. Außerdem hatten wir parlamentarische Sommerpause, dadurch war mehr Freiraum möglich.

Sie sind Minister geworden, als Ihre Partnerin hochschwanger war, haben Sie das in den Gesprächen mit Winfried Kretschmann thematisiert?

Bayaz: Ja, klar. Als die Anfrage kam, haben meine Partnerin und ich sehr genau überlegt, wie wir das alles hinbekommen können. Ich habe dann gegenüber Winfried Kretschmann angesprochen, dass ich Vater werde. Er hat gesagt: „Ich finde es gut, dass du deine Vaterschaft ernst nimmst und selbstverständlich muss das auch mit dem Ministeramt vereinbar sein.“ Das hat mich darin bestärkt, das Amt anzunehmen und meiner Verantwortung gegenüber dem Land, aber auch der Familie gerecht zu werden.

Als Sie angekündigt haben, kürzertreten zu wollen, haben Sie viele Anfeindungen erlebt. Hat Sie das überrascht?

Bayaz: Es war mir schon klar, dass das Thema polarisieren würde. Aber mir ist es wichtig, dass wir Politiker, stellvertretend für unsere Gesellschaft, dieses Thema diskutieren. Ich fand es bezeichnend, dass Annalena Baerbock gefragt wurde, ob eine Frau mit zwei kleinen Kinder Kanzlerin werden kann. Bei Männer wäre das kein Thema gewesen. Das zeigt, dass manche noch stark in alten Rollen- und Gesellschaftsbildern verhaftet sind. Ich finde es deshalb wichtig, dass sich auch Männer in politischer Verantwortung die Frage stellen lassen müssen, welchen Stellenwert Vaterschaft für sie hat.

Sehen Sie sich als Vorbild für den Typus „Neuer Vater“?

Bayaz: Nein, dafür müsste ich noch viel mehr Zeit daheim und mit meinem Sohn verbringen. Aber in den Köpfen der jüngeren Männer hat sich etwas verändert. Und dabei hilft es, wenn Väter in exponierter Stellung sich ihrem Vorbildcharakter bewusst sind.

Welche Vorbilder hatten Sie?

Bayaz: Es waren vor allem Frauen. Zunächst einmal meine Mutter, die nach meiner Geburt und der meiner Schwester wieder schnell gearbeitet hat, zunächst halbtags und dann wieder Vollzeit. Nicht selbstverständlich in den 80er Jahren. Und später waren es Grünen-Kolleginnen aus dem Bundestag, die auf beeindruckende Weise mit kleinen Kindern weiter Politik gemacht haben, wie Franziska Brantner oder Anna Christmann.

Hätten Sie es sich Ihrer grünen Wählerklientel gegenüber überhaupt leisten können, zu sagen: Ich bin jetzt zwar Vater, aber ich mache voll weiter, den Rest übernimmt meine Partnerin?

Bayaz: Da mag es eine gewisse Erwartungshaltung geben. Aber meine Partnerin und ich haben uns für unser Modell aus tiefer, innerer Überzeugung entschieden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein großes politisches Thema, und als Grüne sind wir in einer besonderen Verantwortung, das auch zu leben.

Sitzen Sie nicht manchmal todmüde an Ihrem Schreibtisch und fragen sich, ob es so eine gute Idee war, gerade jetzt den anstrengendsten Jobs Ihres Lebens anzunehmen?

Bayaz: Wenn ich in Stuttgart allein in meiner Wohnung bin, kann ich durchschlafen. Das ist ein bisschen unfair meiner Partnerin gegenüber, die alle paar Stunden stillt. Dieser Job fordert mich sehr, sowohl zeitlich als auch, fachlich und politisch. Aber nach vier Monaten kann ich sagen, dass ich froh bin, diesen Schritt gegangen zu sein. Gerade wenn es mal wieder heiß hergeht, gibt mir meine Familie Kraft und innere Unabhängigkeit. Manchmal hole ich in Sitzungen auch mal kurz mein Telefon raus und schaue mir Bilder von meinem Sohn an

Ihre Partnerin nimmt den Kleinen mit auf Termine. Haben Sie das auch vor?

Bayaz: Es wäre natürlich ein starkes Bild, wenn ich mit meinem Sohn in der Trage im Landtag auf der Regierungsbank säße. Aber das ist aktuell nicht realistisch, da sitze ich mehrere Stunden und der Kleine muss ja noch gestillt werden. Bei einem Besuch in der Wilhelma ist das etwas anderes. Da hätte ich kein Problem ihn mitzunehmen, vorausgesetzt, seine Privatsphäre ist geschützt. Meine Partnerin und ich probieren aktuell aus, wie gut sich der Kleine auch in unseren beruflichen Alltag integrieren lässt. Als sie beispielsweise gerade Auftritte im Bundestagswahlkampf absolviert hat, haben mein Sohn und ich sie dabei begleitet.

Sollten Minister auch Elternzeit beantragen können?

Bayaz: Eine formale Elternzeit ist schwierig. Finanzminister ist man 24 Stunden am Tag. Das Amt kann man nicht von der Privatperson trennen. Manchmal muss ich schnell eine Entscheidung von hoher Tragweite fällen. Sehr wohl muss es Freiräume für das Familienleben geben, aber ich kann nicht einfach zwei Monate lang mein Telefon ausschalten.

Selbstverständlich besorge ich auch mal Windeln

Sein Kind zu betreuen ist das eine. Das Familienmanagement drumherum das andere. Wer kümmert sich bei Ihnen um Dinge wie Windelnachschub, neue Babykleidung oder einen vollen Kühlschrank?

Bayaz: Uns hilft eine geteilte digitale To-do-Liste, um den Überblick zu haben und uns gegenseitig zu sensibilisieren, was noch zu erledigen ist. Ich kümmere mich zum Beispiel um den Kinderarzt, zu den U-Untersuchungen gehen wir dann gemeinsam. Selbstverständlich besorge ich auch mal Windeln. Wir ergänzen uns gegenseitig ganz gut.

Kurzer Mental-Load-Test: Wann steht die nächste U-Untersuchung an?

Bayaz: Die müsste jetzt im Oktober sein, zusammen mit dem nächsten Impftermin.

Was fehlt noch für die Wintergarderobe?

Bayaz: Warme Socken. Die selbst gestrickten aus der Grünen-Community reichen nicht mehr aus.

Wer sitzt bei Autofahren hinten und beruhigt das Kind?

Bayaz: Bei der letzten größeren Fahrt war das meine Partnerin. Mein Sohn war übrigens schon oft bei MacDonalds - da gibt es die besten Wickelplätze, wenn man unterwegs ist.

Das Gespräch führten Lisa Welzhofer und Nadia Köhler.

Quelle:

Das Interview mit Bildern erschien am 05. Oktober 2021 in der Stuttgarter Nachrichten.

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