Interview

„Wir müssen die Klimabrille aufsetzen“

Finanzminister Danyal Bayaz beim Interview / Foto: Marijan Murat/dpa

Im Interview mit dem Mannheimer Morgen spricht der neue Finanzminister Dr. Danyal Bayaz über den Nachtragsetat, Diversität und seine Pläne bei der Schuldenbremse und dem Klimaschutz.

Eine einfache Frage zum Einstieg: Wer wird Fußball-Europameister?

Dr. Danyal Bayaz: Deutschland natürlich. Wir haben ein gutes Team mit einem guten Teamgeist. Deutschland ist eine Turniermannschaft, die am Anfang vielleicht ein bisschen wackelt, sich aber im Lauf der Zeit entwickelt. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass die deutsche Nationalmannschaft gut abschneidet.

Mehr Einfluss als auf Fußball haben Sie auf die Finanzen des Landes. Am Dienstag berät die Haushaltskommission. Wie weit sind Sie beim Nachtragsetat?

Bayaz: Der Nachtragshaushalt muss drei Aufgaben erfüllen: die Neuaufstellung der Regierung abbilden, zweitens weiter gegen die Corona-Pandemie ankämpfen und drittens das rechtlich Notwendige bereitstellen. Dazu mache ich an diesem Dienstag einen ersten Vorschlag.

Lassen sich die Wünsche der Ministerien in einem schlanken Nachtragsetat erfüllen?

Bayaz: Da gibt es immer unterschiedliche Auffassungen. Das ist normal. Alles, was wünschenswert ist, aber längerfristigen Charakter hat, werden wir im Herbst für den Haushalt 2022 diskutieren.

Mehr Stellen für mehr Personal

Also eher keine neuen Stellen jetzt?

Bayaz: Wir brauchen neue Stellen, allein um die Regierungsbildung zu ermöglichen. Auch für die Corona-Bekämpfung ist vereinzelt mehr Personal notwendig.

Ihre Vorgängerin hat Rücklagen in Milliardenhöhe gebildet. Werden Sie daraus ein paar dringliche Wünsche finanzieren?

Bayaz: Wir haben verschiedene Reserven. Der Fonds Zukunftsland Baden- Württemberg steht aktuell unter einem Ausgabemoratorium. Den kann man für den Nachtragsetat durchaus nutzen. Der Beteiligungsfonds, der bisher von Corona-geschädigten Unternehmen so gut wie gar nicht in Anspruch genommen wird, läuft bis zum 30. September. Angesichts der Fristen kommen wir vorher nicht an das Geld. Eine Verlängerung halte ich aber nicht für notwendig. Dieses Geld stünde dann für den regulären Haushalt 2022 für Corona-bedingte Ausgaben bereit.

Weitere Ausnahmeregelung in der Schuldenbremse möglich

Brauchen Sie jetzt weitere Kredite?

Bayaz: Wir werden in der Haushaltskommission im Detail diskutieren, ob wir ein weiteres Mal die Ausnahmeregelung in der Schuldenbremse nutzen. Die Verfassung erlaubt bei Konjunkturkrisen oder Naturkatastrophen die Aufnahme von Krediten. Die Corona-Pandemie ist eine Naturkatastrophe und leider noch nicht zu Ende.

Könnte man den Klimawandel zur Notlage erklären, um trotz Schuldenbremse Kredite aufzunehmen?

Bayaz: Ehrlich gesagt halte ich davon wenig. Die Pandemie war eine Naturkatastrophe, die niemand vorhergesehen hat. Beim Klimaschutz weisen nicht nur die Grünen seit Jahrzehnten auf die Probleme hin. Die sind nicht plötzlich über uns hereingebrochen, sondern eine lang bekannte Menschheitsaufgabe. Zugleich dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass die Digitalisierung ebenso massiv alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft verändert. Das sind die beiden Topthemen für die nächsten 20 Jahre.

Neben dem Finanzierungsvorbehalt gilt auch ein Klimavorbehalt

Die Kritik am Haushaltsvorbehalt für den Klimaschutz nehmen Sie in Kauf?

Bayaz: Die letzten zehn Jahre haben doch gezeigt, dass volle Kassen kein Garant für Fortschritte im Klimaschutz sind. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, dass privates Kapital nicht in das nächste Kohlekraftwerk fließt, sondern eher einen Windpark finanziert. Der Staat selbst kann da Vorbild sein. Wenn wir Geld in die Hand nehmen, müssen wir immer die Klimabrille aufsetzen. Neben dem Finanzierungsvorbehalt gilt für diese Regierung auch ein Klimavorbehalt.

Sie werden in den nächsten Tagen Vater. Sie leben in Stuttgart, ihre Partnerin in München: Väter nehmen Elternzeit. Sie auch?

Bayaz: Die Geburt eines Kindes ist natürlich ein einschneidendes Erlebnis. Ich will die erste Zeit danach vor allem bei meiner Familie sein. Aber ein Finanzminister in Baden-Württemberg ist 24 Stunden am Tag Finanzminister. Daher werde ich es dementsprechend organisieren. Ich bin persönlich in Stuttgart präsent, bin regelmäßig in Heidelberg, und meine Familie ist in München. Mit gut organisierten Arbeitsprozessen bekommt man das gut hin. Meine Partnerin will weiter arbeiten. Dabei hat sie meine volle Unterstützung.

Sie gelten als Vertreter einer neuen Politikergeneration. Zeigt sich das auch in Ihrem Führungsstil?

Bayaz: Ich hatte das Glück, Erfahrung in der Wirtschaft sammeln zu dürfen. Ich würde meinen Führungsstil so definieren, dass es mir ganz wichtig ist, Diversität in meinen Teams zu haben. Das heißt beide Geschlechter sollen genauso vertreten sein wie Personen verschiedener Herkünfte und mit unterschiedlicher Ausbildung. So entstehen Reibung und viele Perspektiven. Mir ist es auch wichtig, dass Mitarbeiter Dinge besser können als ihr Chef und dass ich von denen auch was lernen kann. Dass nur der Minister oder die Ministerin sagt, was Sache ist, halte ich für überholt.

Die Fragen stellten Peter Reinhardt und Michael Schwartz.

Quelle:

Das Interview erschien am 15. Juni 2021 im Mannheimer Morgen.

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