Haushalt

„In unsicheren Zeiten sind Planbarkeit und Verlässlichkeit sehr hohe Güter.“

Der Landtag von Baden-Württemberg hat den Landeshaushalt für die Jahre 2025 und 2026 verabschiedet. Die vollständige Rede von Finanzminister Dr. Danyal Bayaz können Sie hier nachlesen.

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Finanzminister Bayaz am Rednerpult im Landtag

Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor wenigen Wochen ist in Berlin die Ampel-Regierung zerbrochen. Das "Ampel-Aus" hat es sogar zum Wort des Jahres gebracht. Auch bei unseren Nachbarn in Frankreich ist das erste Mal seit über 60 Jahren eine Regierung zu Fall gebracht worden. Die beiden größten Volkswirtschaften der Europäischen Union werden seitdem von Übergangsregierungen geführt. In beiden Ländern ist die Regierung an der Aufstellung eines Haushalts gescheitert.

Daraus wird deutlich, welche Bedeutung der Haushalt für ein Land hat. Und vor allem: welchen Wert Haushaltsverhandlungen ohne politische Nebengeräusche haben. Dazu gehört eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Regierung und ein zielorientiertes Handeln zwischen Regierung und Haushaltsgesetzgeber. Beides war in Baden-Württemberg gegeben.

In den vergangenen Wochen haben wir gemeinsam an einem Haushalt gearbeitet, der trotz schwieriger Lage das Beste für unser Land herausholt. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Großen Anteil an diesem guten Ergebnis hat der Ministerpräsident.

Der scheidende Bundeskanzler hat einmal gesagt, wer Führung bei ihm bestelle, der bekomme sie. Dafür war die Ampel nach meinem Empfinden lange ziemlich orientierungslos. 

Bei Winfried Kretschmann muss man Führung nicht extra bestellen. Er liefert sie ungefragt. Auch bei diesen Haushaltsverhandlungen hat er für die nötige Orientierung gesorgt.

Die Beispiele aus Berlin und Paris zeigen, wie glücklich sich unser Land für seine Arbeit schätzen kann.

Meine Damen und Herren, auch als Landespolitiker sind wir mit den Problemen auf der Welt konfrontiert. Erst vor zwei Wochen ist in Syrien Diktator Assad von einer Allianz unterschiedlichster Gruppierungen aus dem Land vertrieben worden. Teil dieser Allianz sind Islamisten. Deswegen müssen wir die Situation beobachten, ehe wir voreilige Schlüsse über die Sicherheit vor Ort ziehen.

Und schon gar nicht sollten wir den Eindruck erwecken, dass Menschen aus Syrien, die hier Arbeit gefunden, die sich gut integriert haben, das Land wieder verlassen müssen. Allein in unseren Krankenhäusern arbeiten 6.000 syrische Ärztinnen und Ärzte. Wenn die weg wären, hätten wir ein gewaltiges Problem.

Auch in Baden-Württemberg spüren wir die Folgen internationaler Konflikte. 1,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind vor dem Krieg Russlands zu uns nach Deutschland geflohen, viele davon nach Baden-Württemberg.

Und seit 2014 stellen Syrerinnen und Syrer die größte Gruppe, die in der Bundesrepublik Schutz und Asyl sucht. Diese Menschen sind vor dem Terror des alten Assad-Regimes zu uns geflohen. Stütze und wichtigster Verbündeter Assads war Putin. Wegen des Terrors im Land haben wir ihnen Schutz gewährt.

Wenn klar wird, wie sich das Land entwickelt, wird eine offene Neubewertung erfolgen.

Natürlich geht die Aufnahme einer großen Zahl zunächst fremder Menschen nicht spurlos an einem Land und einer Gesellschaft vorbei. Unsere Städte und Gemeinden haben vielerorts ihre Aufnahmekapazitäten erreicht. In unseren Schulen werden viele Kinder unterrichtet, deren Sprachkenntnisse auf einem niedrigen Niveau sind. Das gleiche gilt für die Betreuung in den Kindergärten.

Damit umgehen müssen Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte und die anderen Schülerinnen und Schüler. Darunter leidet oft auch das Unterrichts- und Betreuungsniveau. Dieser Realität müssen wir uns stellen.

Ebenso müssen wir ehrlich feststellen, dass auch Menschen zu uns kommen, die gegen unsere Regeln und Gesetze verstoßen. Das mag unterschiedliche Gründe haben. Aber akzeptieren können wir es nicht.

Wer Schutz sucht, der muss unsere Regeln akzeptieren und einhalten. Es sind nicht immer Taten wie in Mannheim oder Solingen, die unsere Nachtrichten bestimmen - zum Glück. Aber solche Taten verstärken das Gefühl vieler Bürgerinnen und Bürger, dass unser Land unsicherer geworden ist. Das macht ihnen Sorgen.

Es war uns als Landesregierung wichtig, im vorliegenden Haushalt auf diese Sorgen einzugehen. Auch für die beschriebenen Herausforderungen in unseren Schulen, Kitas und Kindergärten bieten wir Lösungen an.

Bildung und Sicherheit sind originäre Landesaufgaben.

Wenn der Staat an diesen Stellen nicht richtig funktioniert, schadet das der Akzeptanz unserer demokratischen Institutionen. Und es sorgt für Verunsicherung. Das wissen wir. Deswegen sind Bildung und Sicherheit Schwerpunkte in diesem Haushalt. Diese Bereiche werden durch das Sicherheits- und das Bildungspaket im Haushalt gestärkt. So halten wir das Land auf Kurs und schaffen Vertrauen bei den Menschen im Land, meine Damen und Herren.

Die größten Sorgen machen sich die Bürgerinnen und Bürger aber gerade an einer anderen Stelle.

Es geht um die wirtschaftliche Situation im Land. Die Bundesrepublik gehört zu den Schlusslichtern beim Wirtschaftswachstum in Europa. Baden-Württemberg ist von diesem Trend besonders betroffen. Das ist erklärbar. Unsere industrielle Stärke hat uns bis zur Pandemie getragen. Bis dahin war die Globalisierung auf ihrem Höhepunkt. Besonders unsere exportstarken Unternehmen haben profitiert.

Nun ist dieser Höhepunkt überschritten.

Nach der Finanzkrise waren nur ein Prozent der weltweit gehandelten Güter von Handelshemmnissen betroffen. Ende 2023 waren es fast zehn Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Research Abteilung unserer Landesbank.

Für Regionen und Staaten, deren Volkswirtschaft und Unternehmen auf freien Handel und offene Märkte ausgelegt sind, ist es deswegen eine herausfordernde Zeit. 

Mit Pandemie und dem russischen Angriffskrieg hat sich der Prozess der De-Globalisierung beschleunigt.

Und die zweite Präsidentschaft Donald Trumps steht erst bevor. Damit ist unsicher, wie sich das Verhältnis zu unserem wichtigsten Handelspartner entwickelt.  

ZF, Bosch, SAP - Die Nachrichten über Arbeitsplatzabbau machen schon jetzt vor unserem Land nicht halt. Trotz Fachkräftemangel geht die Beschäftigung in der Industrie zurück. Das sind unternehmerische Entscheidungen, auf die Landespolitik erst mal keinen Einfluss hat.

Genau so wenig sollten wir den Eindruck erwecken, die Umbrüche in der Automobilindustrie würden maßgeblich mit Entscheidungen der Landesregierung zusammenhängen.

China wächst gerade zu einer gigantischen Automobilnation mit atemberaubenden Produktionskapazitäten. Und der chinesische Anteil am E-Auto-Markt wird immer größer. Und dieser Markt wächst.

Unser Anteil am Verbrennermarkt ist noch hoch, aber dieser Markt schrumpft. Das sind schlichte ökonomische Tatsachen. Mit denen müssen wir uns auseinandersetzen.

Wer ernsthaft den Eindruck erweckt, wir kippen das vermeintliche Verbrennerverbot und schon haben wir das Geschäftsmodell der Zukunft, der hat nicht verstanden, in welchem epochalen Umbruch sich der globale Automarkt gerade befindet.

Was wir allerdings als Landesregierung tun können: wir können unseren Wirtschaftsstandort stärken.

Wir können die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen verbessern und dabei helfen, neue Unternehmen entstehen zu lassen. Beides machen wir. Auch schwerpunktmäßig mit diesem Haushalt.

Die Sorgen vor einer De-Industrialisierung nehmen wir dabei ernst. Verschiebungen gehören zu einem Prozess des Strukturwandels. Aber natürlich ist das kein Trost für die Menschen, deren Arbeitsplätze bedroht sind. Trost ist, wenn sie das Gefühl haben, das sie zur Not an anderer Stelle gebraucht werden. Auch das ist dann nicht leicht.  

Aber es ist eine Perspektive. Und die versuchen wir auch mit diesem Haushalt zu schaffen, meine Damen und Herren.

Ein wichtiger Baustein sind dabei sind die genannten Investitionen in die Bildung, aber vor allem in die Forschung. Innovationen und neue Geschäftsmodelle fallen nicht vom Himmel. Sie werden von ideen- und erfindungsreichen Frauen und Männern geschaffen.

Die Ausbildung dieser Menschen ist deswegen die wichtigste Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft unseres Landes. Gut ein Drittel des Haushalts fließt deswegen in Bildung und Forschung.

Wir haben Innovationsnetzwerke und Ökosysteme in unserem Land, um die uns viele in Europa beneiden: das Cyber Valley, der Innovationspark Künstliche Intelligenz in Heilbronn, die Gesundheitswirtschaft in der Rhein-Neckar-Region oder das Hightech Cluster rund um Karlsruhe.

Das waren nicht alle Beispiele. Was aber alle Beispiele in Land eint: in ihrer Nähe befindet sich eine unserer Universitäten oder Hochschulen - Spitzenforschung und Entwicklung als Standortfaktor.

Die schwierige wirtschaftliche Lage geht auch nicht an unserem Haushalt vorbei. Die Steuereinnahmen fallen niedriger aus als erwartet. Trotzdem garantieren wir mit diesem Haushalt unseren Hochschulen und Universitäten die Übernahme der Personalkosten aus dem Gesamthaushalt. Sie sind ihr wichtigster Ausgabeposten.

Zusätzlich erhöhen wir ihren Sockelbetrag und auch in anderen Bereichen sind dreistellige Millionensummen im Haushalt hinterlegt, von denen Universitäten und Hochschulen profitieren:

Nennen will ich zusätzlichen Mittel für Innovationscampus-Projekte, Hochschulgebäude, die Exzellenzstrategie, unsere Uni-Klinika oder den Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft.

Jeder Bereich für sich ist wichtig für unseren Wissenschaftsstandort. Überall erhöhen wir unser Engagement. Das hat positive Nebenwirkungen.

Unser Land hat den Zuschlag für einen von sieben Standorten der AI Factory der Europäischen Union bekommen. In Stuttgart wird eine flexible KI-Plattform für Forschung und Industrie entstehen.

Ohne unser verlässliches Engagement für den Wissenschaftsstandort und den Einsatz des Staatsministeriums in Brüssel hätte das sicher nicht funktioniert. Auf diesen Erfolg können wir stolz sein.

Natürlich machen Bildungs- und Forschungsaushaben nicht alleine einen guten Wirtschaftsstandort aus. Sie sind die Basis. Dazu kommen Investitionen in die Infrastruktur, die Förderung junger Unternehmen oder die Verschlankung der bürokratischen Regeln. An letzterem arbeitet der Ministerpräsident mit den wichtigen Akteuren der Kommunen und der Wirtschaft.

Die Entlastungsallianz liefert konkrete Ergebnisse während andere in Berlin erst nach ihrer Amtszeit den Bürokratieabbau entdeckt haben, für den sie zuvor drei Jahre lang nichts getan haben.

Ernsthafte Arbeit liegt Baden-Württemberg mehr als die Simulation von Politik.

Und was die Investitionen anbelangt: hier halten wir unsere Quote bei konstant über zehn Prozent.

Das hilft der Konjunktur. Und es hilft auch dem Klima, wenn wir unsere Gebäude sanieren, Heizungen modernisieren und die umweltfreundliche Stromversorgung unserer Landesgebäude vorantreiben.  

Denn trotz unserer Priorisierung auf den Wirtschaftsstandort, auf die Bildung und auf die Sicherheit im Land bleibt Klimaschutz eine Daueraufgabe für die Landesregierung.

Der Erfolg unseres vierten Green Bonds BW beweist, dass wir damit auch haushaltspolitisch richtigliegen.

Schon bei der Einbringung habe ich gesagt, dass ich die Vorsorge für die geplante Kapitalerhöhung der EnBW in diesem Haushalt als wichtigste Klimaschutzinvestition ansehe. Das Unternehmen plant bis 2030 zweistellige Milliardeninvestitionen in die umweltfreundliche Energieversorgung. Durch die Kapitalerhöhung würden wir als Land mit sehr geringem Aufwand sehr hohe private Investitionen sichern und ermöglichen.

Zu einem starken Standort gehört auch ein starker Energieversorger. Mit der EnBW haben wir ihn.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der Herbststeuerschätzung mussten wir unseren Regierungsentwurf nochmal anpassen. Fast zwei Milliarden Euro weniger stehen uns zur Verfügung.

In einer Zeit konjunktureller Stagnation und wirtschaftlicher Unsicherheit müssen wir deswegen noch stärker Priorisieren und wirtschaftlich planen.

Auch für unsere Städte, Gemeinden und Kreise werden die Zeiten schwieriger werden. Als Land werden wir weiter an der Seite der Kommunen stehen. Unser finanzielles Engagement wird stetig bleiben.

Vom Bildungspaket der kommenden Jahre werden auch die Kommunen profitieren. Und für die Krankenhausreform des Bundes haben wir finanzielle Vorsorge getroffen.

In unsicheren Zeiten sind Planbarkeit und Verlässlichkeit sehr hohe Güter. Beides bieten wir unseren Kommunen.

Meine Damen und Herren, wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass unser haushaltspolitischer Spielraum kleiner wird.

Das Volumen dieses Doppelhaushalts liegt gut neun Prozent über dem letzten Doppelhaushalt. Wir mussten also nicht am Volumen kürzen. Trotzdem werden die Finanzierungskorridore enger. Denn auch wir sind von der Inflation und steigenden Tarifabschlüssen betroffen.

So wird es zur neuen Normalität werden, dass Haushaltsverhandlungen schwieriger werden. Ich bin froh, dass wir bei uns im Land ernsthaft und zielorientiert an diesem - für das Land sehr guten - Haushalt gearbeitet haben.

Das ist leider nicht überall möglich, wie das Aus der Ampel gezeigt hat. Eingangs habe ich bereits dem Ministerpräsidenten für seinen Betrag zu diesem Doppelhaushalt gedankt.

Der Dank für die gute Zusammenarbeit gilt ebenso den Kolleginnen und Kollegen in der Landesregierung, der Haushaltskommission, den Mitgliedern des Finanzausschusses und dem Ausschussvorsitzenden.

Der größte Dank von mir und der gesamten Landesregierung geht aber an unsere engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ohne sie gäbe es diesen Haushalt so nicht.

Deswegen geht mein Dank zum Abschluss an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Parlament, der Landtagsverwaltung und in den Ministerien, vor allem auch in meinem Haus.

Das Schimpfen auf die Verwaltung ist für einige zum Volkssport geworden. Das ist nicht fair. Ihre Arbeit hält das Land am Laufen. Dafür gebührt Ihnen Respekt und unser aller Dank.  

Pünktlich zum Jahresende haben wir die Weichen für die kommenden Jahre gestellt. Es ist eine schwierige Zeit. Aber mit dem Haushalt können wir zuversichtlich nach vorne blicken.

Ich wünsche Ihnen erholsame Ferien und friedliche Feiertage.

Bleiben Sie gesund und sammeln Sie neue Kräfte.

Herzlichen Dank.