Rede von Finanzminister Dr. Danyal Bayaz am 3.12.2025 im Landtag von Baden-Württemberg zur Einbringung des Nachtragshaushalts
Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
ein Haushalt ist niemals Routine - und ein Nachtragshaushalt schon gar nicht. Unerwartete Mindereinnahmen oder außerplanmäßige Mehrbedarfe können die Regierung und den Landtag dazu zwingen, nachzusteuern. Planmäßig erfolgt so etwas selten. Das ist dieses Mal nicht anders.
Die Lage der Kommunen
Die Stagnation der Wirtschaft setzt besonders unseren Städten und Gemeinden zu. Viele Kommunen sind von einzelnen Weltmarktführern steuerlich abhängig. Wenn diese Unternehmen unter Druck geraten - durch Trumps Zölle, durch Chinas Machtspiele mit Rohstoffen und Chips – dann spüren wir das als Land.
Und unsere Kommunen spüren es zuerst. Ihre Gewerbesteuereinnahmen sind teils drastisch eingebrochen. Gleichzeitig steigen Sozialausgaben und Personalkosten
In unseren Städten und Gemeinden findet der Alltag der Menschen statt. Dort arbeiten die Unternehmen. Dort zeigt sich, ob das Land funktioniert. Deshalb haben wir 2024 mit einem kommunalen Sofortprogramm auf die angespannte finanzielle Lage reagiert. Auch 2025 haben wir Abschlagszahlungen für die Kommunen vorgezogen.
Und heute reagieren wir mit diesem Nachtrag erneut. Mit einem großen Unterstützungspaket für unsere Kommunen. Wir waren und sind ihnen ein verlässlicher Partner.
Dabei ist mir bewusst: Das zusätzliche Geld löst nicht alle Probleme. Aber es ist eine enorme Unterstützung in einer schwierigen Situation.
Meine Damen und Herren,
bei diesem Nachtrag gibt es eine zusätzliche Besonderheit. Mit dem Wechsel der Bundesregierung erfolgte eine bemerkenswerte Wende in der Finanzpolitik. Vor der Bundestagwahl wurde von manchen unbeirrt versprochen, an den Regeln der Schuldenbremse festzuhalten. Ich bin sicher, Sie erinnern sich. Nach der Wahl wurde ein gewaltiges Sondervermögen Infrastruktur aufgelegt. Außerdem wurde die existierende Schuldenbremse punktuell verändert, um angesichts der Bedrohungslage in die Sicherheit zu investieren.
Als Land haben wir beide Maßnahmen mitgetragen. Denn die Lage ist ernst. In einer Welt, die sich machtpolitisch neu ordnet, müssen wir uns verteidigen können. Dann werden wir es hoffentlich nie müssen.
Und bei richtigem Einsatz kann das Sondervermögen Deutschland voranbringen. Die Bundesregierung nutzt die Sonderschulden leider auch dazu, Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Statt wie versprochen konsequent in die Zukunft zu investieren. Statt wie angekündigt, konsequent Reformen anzugehen.
So belasten diese falsch genutzten Sonderschulden die Jüngeren erheblich. Sie rauben kommenden Generationen den Handlungsspielraum, um ihre Zukunft zu gestalten. In Baden-Württemberg schlagen wir mit dem Nachtrag bewusst einen anderen Weg ein, meine Damen und Herren.
Aufteilung zwischen Land und Kommunen
Land und Kommunen bekommen einen Teil des Sondervermögens: 13,1 Milliarden Euro insgesamt. Mit diesem Nachtragshaushalt regeln wir die Verteilung. Und dabei zeigt sich, was Partnerschaft für uns bedeutet: Zwei Drittel des Sondervermögens geben wir an die Kommunen weiter - ohne Bürokratie und mit geringstmöglichem Verwaltungsaufwand. Damit stehen wir im Ländervergleich wieder ganz weit vorne! Kein anderes Land beteiligt seine Kommunen in diesem Umfang und Pauschalität am Sondervermögen. Denn wir wissen:
Ein starkes Land gibt es nur mit starken Kommunen, meine Damen und Herren!
In konkreten Zahlen ausgedrückt sind es über 8,7 Milliarden Euro. Diese Summe aus dem Sondervermögen leiten wir pauschal an die Kommunen im Land weiter. Sie können frei über das Geld verfügen.
Der Kollege Fink sagt, die Landesregierung sei dabei nicht mehr als ein Paketbote. Ich teile diese Geringschätzung der SPD gegenüber Paketboten ausdrücklich nicht. Paketboten leisten wichtige Arbeit. Sie sorgen dafür, dass unser Land funktioniert. Und genau das tun wir auch. Wir sorgen nicht nur dafür, dass das Paket zuverlässig ankommt. Wir sorgen auch dafür, dass es ein besonders großes Paket ist
Investitionen des Landes
Was machen wir mit den verbleibenden gut vier Milliarden Euro? Im Gegensatz zur Bundesregierung genau das, wofür das Sondervermögen von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde: Wir setzen eine Modernisierungsagenda für Baden-Württemberg auf. Wir investieren in unsere Infrastruktur. Wir kommen unserer Verantwortung für das Land und seine Menschen nach.
Denn kreditfinanzierte Sondervermögen sind zuerst einmal Sonderschulden. Zu einem Vermögen werden sie erst, wenn wir neue Werte schaffen und das Land damit voranbringen. Auch, damit die Leute sehen: Unser Land funktioniert. Auch damit die Leute stolz auf ihr Gemeinwesen sein können.
Deshalb investieren wir eine Milliarde Euro in Straßen, Schienen und Brücken - in eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur. Diese nutzen die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen täglich. Mit dem Nachtragshaushalt sorgen wir dafür, dass hier im Sinne der Menschen investiert wird.
Außerdem investieren wir mehrere Hundert Millionen Euro zusätzlich in unsere Uni-Klinika. Schon im aktuellen Haushalt haben wir hier eine milliardenschwere Sanierungsoffensive gestartet.
Der Gesundheitssektor ist mittlerweile der größte Arbeitgeber im Land. Unsere Investitionen stärken diesen Trend. Zusätzlich hatten wir bereits die Übernahme der Ko-Finanzierung für den Krankenhaus-Transformationsfonds des Bundes für die Kommunen zugesagt. So sichern wir die Gesundheitsversorgung vor Ort. Und wir unterstützen die Kommunen an einer weiteren Stelle.
Wir investieren zudem Hunderte Millionen Euro in soziale Einrichtungen, in die Wohnraumförderung, Landesgebäude und den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz. Wir investieren auch in eine umweltfreundliche Wärmeversorgung, denn auch das bedeutet Modernisierung der Infrastruktur.
All das sind Investitionen für die Menschen und unsere Zukunft – und kein Konsum für die Gegenwart oder zur Bedienung von Einzelinteressen. So geht man verantwortungsvoll und generationengerecht mit öffentlichen Mitteln um. Dafür steht die Landesregierung von Winfried Kretschmann. Auch bei diesem Nachtragshaushalt, meine Damen und Herren.
Kommunale Investitionen ohne Bürokratie
Auch und gerade in den Städten und Gemeinden muss investiert werden: Schulen, Kindergärten, Bibliotheken, Schwimmbäder oder Sportplätze. Diese Infrastruktur ist wichtig. Sowohl wirtschaftlich als auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Bürgermeisterin und der Kämmerer vor Ort wissen am besten, wo der Schuh drückt. Deshalb geben wir die Mittel des Bundes pauschal weiter - ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand und bürokratische Auflagen.
Die Bundesregierung tut das leider nicht. Sie verlangt, dass Städte und Gemeinden über die Nutzung der Mittel für den Bundesfinanzminister akribisch Buch führen. Vom Land satteln wir da keine Bürokratie oben drauf. So können die Investitionen schneller auf die Straße gebracht werden. Es braucht dieses Vertrauen gegenüber unseren Kommunen, damit wir keine Zeit verlieren. Das sollte all denen klar sein, die sonst in Sonntagsreden den Abbau unnötiger Bürokratie fordern.
Ohne Vertrauen geht es nicht, meine Damen und Herren.
Und wir machen noch mehr. Als Land legen wir 700 Millionen Euro auf das Sondervermögen des Bundes drauf. Das sind erwartete Mehreinnahmen des Landes aus der Herbststeuerschätzung. Ein großer Teil davon - 550 Millionen - fließt direkt in den kommunalen Finanzausgleich. Gemeinsam mit dem Sondervermögen schaffen wir so die Voraussetzungen dafür, dass unser Land auch in der aktuellen Krise funktioniert. In der Fläche. In den Dörfern. In den Städten.
Derzeit gibt es viele Pressemitteilungen und Social Media von Abgeordneten aus Bund und Land. Sie informieren darüber, wie viel Geld aus dem Sondervermögen in ihre Wahlkreise fließt. Das ist gut und richtig. Die Menschen vor Ort sollen das wissen. Allerdings haben nicht wenige vergangenes Jahr genau diesen Finanzierungsweg noch abgelehnt. Teils sehr entschieden. Heute präsentieren sie sich als Wohltäter der Kommunen. Ich nehme das erstaunt zur Kenntnis. Zugleich glaube ich daran, dass Menschen dazulernen. Am Ende sollte entscheidend sein, ob eine Idee gut für unser Land ist. Und nicht, von wem sie stammt, meine Damen und Herren.
Handlungsfähigkeit durch Kompromisse
Meine Damen und Herren,
lassen Sie mich zum Schluss etwas zum Verfahren sagen. Zuletzt mussten wir auf Bundesebene häufiger mitansehen, wie politische Kompromisse scheitern. Oder schon die Kompromissfindung selbst.
Wir haben das bei der vorherigen Bundesregierung erlebt. Wir erleben es auch bei der jetzigen Bundesregierung, allerdings unter ganz anderen finanziellen Umständen.
Koalitionen bestehen aus unterschiedlichen Parteien. Da gehören Unterschiede dazu. Da muss man nicht jeden Konflikt dramatisieren. Aber zum politischen Handwerk gehört auch der Kompromiss. Zum Handwerk von Koalitionen erst recht.
Und diese Kompromissfindung muss in einem angemessenen Ton erfolgen. Untereinander und gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Die Menschen erwarten Ergebnisse. Und kein politisches Theater.
Mit diesem Nachtragshaushalt macht die Landesregierung vor, wie es geht. Ja, die Landtagswahl steht an. Aber die Koalition weiß um ihre Verantwortung. Wir haben hier ohne Nebengeräusche einen Nachtragshaushalt zum Wohl des Landes aufgestellt. Wir wissen um unsere Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.
Lassen Sie uns in diesem Geist auch die weiteren Beratungen zum Nachtrag angehen.
Herzlichen Dank!
















