Kampf gegen Umsatzsteuerbetrug
Systematischer Steuerbetrug bei der Umsatzsteuer führt innerhalb der europäischen Union und speziell in Deutschland seit Jahren zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe. Dies belastet die Haushalte von Bund und Ländern enorm und benachteiligt vor allem Unternehmen, die aufrichtig ihre Steuern zahlen.
Es gibt unter anderem folgende Maßnahmen:
Betreiber von elektronischen Schnittstellen wie beispielsweise Internetmarktplätzen können seit 2019 in Haftung genommen werden, wenn bei ihnen tätige Onlinehändler die Umsatzsteuer nicht abführen. Auch müssen sie bestimmte Daten erfassen und überwachen. Auf diese Weise werden die Onlinehändler dazu angehalten, sich ordnungsgemäß zu registrieren und die anfallende Steuer zu zahlen. Seit dem Jahr 2021 ermöglicht das umsatzsteuerliche "Digitalpaket" darüber hinaus, dass die Betreiber von elektronischen Schnittstellen gegebenenfalls selbst die Umsatzsteuer bei Lieferungen aus Drittländern schulden. Mit dem "Digitalpaket" sind zudem weitergehende Pflichten zur Aufzeichnung und Auskunftserteilung eingeführt worden.
Die Finanzämter können angekündigte Umsatzsteuer-Sonderprüfungen vornehmen. Dabei prüfen sie, ob die Leistungen eines Unternehmens zutreffend besteuert, Steuerbefreiungen und Steuervergünstigen korrekt gewährt und Vorsteuerbeträge richtig abgezogen oder erstattet werden. Daneben können die Finanzämter unangekündigte Umsatzsteuer-Nachschauen in den Geschäfts- und Betriebsräumen von Unternehmen machen. So können die Prüferinnen und Prüfer die tatsächlichen Verhältnisse der Unternehmen frühzeitig feststellen - zum Beispiel, ob ein Unternehmen bei einer Neugründung auch wirklich existiert. Sowohl die Umsatzsteuer-Sonderprüfungen als auch die Umsatzsteuer-Nachschauen haben sich als bewährte Mittel erwiesen, um prüfungswürdige Sachverhalte aufzuklären. Dadurch können wir in Baden-Württemberg jährliche Mehrsteuern bei der Umsatzsteuer von rund 205 Millionen Euro erzielen.
Unternehmer dürfen weder selbst Umsatzsteuerbetrug begehen, noch sich daran gemeinschaftlich beteiligen. Insbesondere Letzteres untersagt das sogenannte "gemeinschaftsrechtliche Missbrauchsverbot", das seit 2020 in nationales Recht umgesetzt wurde. Kommt es also in einer Lieferkette auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe zu einer Hinterziehung von Umsatzsteuer und ist das einem Unternehmer bekannt oder offensichtlich, dann verliert er das Recht auf den Vorsteuerabzug bzw. die Steuerbefreiung.
Das sogenannte "Reverse-Charge-Verfahren" ist eine Sonderregelung bei der Umsatzsteuer, um Steuerausfälle zu verhindern. Steuerausfälle entstehen beispielsweise, wenn ein Unternehmer die Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführt, der Kunde diese aber seinerseits als Vorsteuer geltend macht und vom Finanzamt zurück bekommt. Beim "Reverse-Charge-Verfahren" wird das übliche Verfahren umgekehrt: Die Umsatzsteuerschuld wird direkt auf den Kunden verlagert. Der Kunde ist dann gleichzeitig das Unternehmen, das die Umsatzsteuer zahlen muss und sie ebenso als Vorsteuer geltend machen kann. Steuerschuldnerschaft und Vorsteuerabzug laufen somit bei ein- und demselben Unternehmen zusammen. Das "Reverse-Charge-Verfahren" gilt unter anderem in der Baubranche oder beim Handel von Elektronik.
Kampf gegen Kassenmanipulation als gewerbsmäßiger Betrug
Wenn Unternehmen ihre Umsätze nicht erfassen oder falsch erfassen, verliert der Staat Einnahmen.
Hier setzt das Kassengesetz an:
Vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen, in denen hauptsächlich mit Bargeld gezahlt wird, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu manipulierten Kassen und Schummelsoftware: Die Buchführung wurde verändert, ohne dass dies irgendwo registriert wurde und folglich auch nicht kontrolliert werden konnte. Dem wirkt seit 2016 das sogenannte "Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen" entgegen. Danach müssen Händler und Gastronomen seit Anfang 2020 strenge Aufzeichnungspflichten bei der Kassenführung einhalten. Dazu gehört auch, jede Ein- und Auszahlung zu dokumentieren. Elektronische Aufzeichnungssysteme müssen entsprechend fälschungssicher gemacht werden. Heißt: Die elektronischen Kassen müssen zertifizierte technische Sicherheitseinrichtungen besitzen, die Kassenbewegungen automatisch elektronisch aufzeichnen. Damit Erlöse auch tatsächlich in die elektronische Kasse eingegeben werden, sind die Unternehmen verpflichtet, einen Kassenbon zu erstellen und den Kunden anzubieten - egal, ob elektronisch oder in Papierform. Bei unangekündigten Kassen-Nachschauen können Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer die Kassenaufzeichnungen kontrollieren, auch können hierzu verdeckte Testkäufe vorgenommen werden.
Kampf gegen Steueroasen
International tätigen Unternehmen und anderen Steuerpflichtigen wurde es in den vergangenen Jahren bedeutend schwerer gemacht, Steuern zu vermeiden. So sind auf Bundes- und Länderebene verschiedene Maßnahmen eingeführt worden, damit sich Unternehmen ihrer Steuerverantwortung nicht entziehen und beispielsweise Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern.
Unter anderem folgende Initiativen gehören dazu:
Seit 2020 gibt es eine "Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltung". Damit sollen Schlupflöcher zur Steuervermeidung geschlossen werden. Insbesondere Banken, Steuerberater-, Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüferkanzleien sind verpflichtet, dem Bundeszentralamt für Steuern von ihnen konzipierte und vermarktete grenzüberschreitende Steuergestaltungen zu melden. Grenzüberschreitende Steuertricks werden so schneller erkannt und der Staat kann auf kreative Möglichkeiten der Steuervermeidung kurzfristig reagieren, sodass weitere Steuerausfälle verhindert werden.
Die "europäische Anti-Steuervermeidungsrichtlinie" beinhaltet verschärfte Regelungen, um gegen Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen von multinationalen Unternehmen vorzugehen. Die Richtlinie untermauert damit auch das Bestreben einer gemeinsamen und gerechten europäischen Steuerpolitik. Sie wurde im Jahr 2021 in nationales Recht überführt und dabei in einigen Bereichen deutlich verschärft, auch mit Unterstützung des Ministeriums für Finanzen Baden-Württemberg. So wurde unter anderem die Besteuerung bei Wegzügen ins Ausland angepasst: Von 2022 an gilt für Privatpersonen, die in ihrem Privatvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften (zum Beispiel GmbH oder AG) halten, die aktualisierte Wegzugbesteuerung, wenn sie ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern. Auf diese Weise soll der Kapitalflucht entgegengewirkt werden.
Nicht alle Staaten und Steuergebiete erfüllen die internationalen Steuerstandards. Das machen sich Personen und Unternehmen zu Nutze und unterhalten Geschäftsbeziehungen zu diesen Steueroasen. Hier setzt seit 2021 das sogenannte "Steueroasenabwehrgesetz" an, das Steueroasen trockenlegen soll, indem es Geschäftsbeziehungen zu diesen deutlich unattraktiver macht. Das Gesetz beinhaltet strenge Abwehrmaßnahmen, damit Unternehmen beispielsweise Steuerzahlungen nicht mehr umgehen können, indem sie Einkünfte auf eine Gesellschaft in einer Steueroase verlagern. So dürfen bestimmte Aufwendungen nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden, wenn sie im Zusammenhang mit Geschäften zu einer Steueroase stehen.
Weitere Maßnahmen, um gegen internationale Steueroasen vorzugehen und Gewinnverlagerungen zu unterbinden, sind eine globale Mindeststeuer (Säule II) und die Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft (Säule I). So sollen künftig Großkonzerne, die international tätig sind und mehr als 750 Millionen Euro Umsatz machen, mit mindestens 15 Prozent besteuert werden. Zudem sollen Firmen mit digitalen Geschäftsmodellen nicht nur dort Steuern zahlen, wo sie ihren Firmensitz haben (also meist in Niedrigsteuerländern), sondern auch dort, wo sie Gewinne erwirtschaften. Der Einigung aus dem Jahr 2021, die eine gerechtere, internationale Unternehmensbesteuerung verfolgt, haben sich mittlerweile über 140 Staaten angeschlossen. Die EU-Mitgliedstaaten einigten sich Ende 2022 auf einen Richtlinienentwurf, der eine einheitliche und zeitnahe Umsetzung der globalen effektiven Mindestbesteuerung innerhalb der EU sicherstellen soll. Das Bundesministerium der Finanzen hat daraufhin im März 2023 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, mit dem die EU-Richtlinie in nationales Recht gegossen werden soll.
Aufdeckung und Ermittlung
In Baden-Württemberg arbeiten rund 380 Beschäftigte bei der Steuerfahndung (Steufa) und den Straf- und Bußgeldstellen (StraBu). Im Jahr 2023 wurden bei knapp 1.300 Fahndungseinsätzen Mehrsteuern von über 322 Millionen Euro festgesetzt. Es wurden mehr als 6.600 Steuerstrafverfahren abgeschlossen, die zu Geldstrafen von fast 3,6 Millionen Euro und Geldauflagen von rund 5,7 Millionen Euro geführt haben. Im Jahr 2023 erzielte die Steuerfahndung in Baden-Württemberg ein Mehrergebnis von 322 Millionen Euro
Es gibt unter anderem folgende Maßnahmen bei der Aufdeckung von Steuerstraftaten:
Bereits in der Vergangenheit konnten Bürgerinnen und Bürger telefonisch, schriftlich, persönlich oder per E-Mail (anonyme) Hinweise wegen Steuerbetrugs bei den baden-württembergischen Finanzbehörden abgeben. Mit dem bundesweit ersten digitalen Hinweisgebersystem steht seit September 2021 ein zusätzlicher diskreter, sicherer und anonymer Kommunikationsweg zur Verfügung. Hierdurch wurde die Möglichkeit geschaffen, auch digital Steuerstraftaten zu melden. Über einen digitalen Postkasten kann bei Rück- und Nachfragen des Finanzamts zudem ein anonymer Schriftwechsel geführt werden.
Durch eine Gesetzesänderung wurde der Einsatz von Telekommunikationsüberwachung ausgeweitet: Diese ist künftig nicht nur bei bandenmäßiger Hinterziehung von Umsatz- und Verbrauchssteuern möglich, sondern bei jeder bandenmäßigen schweren Steuerhinterziehung - unabhängig von der Steuerart. Damit besitzt die Steuerfahndung auf richterliche Anordnung weitreichende Möglichkeiten, um in schwerwiegenden Fällen schneller und effizienter ermitteln zu können.
Die Europäische Staatsanwaltschaft dient dem Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, ihrer Mitgliedsstaaten und ermittelt bei EU-weiten Straftaten. Als erste unabhängige und jemals geschaffene supranationale Staatsanwaltschaft hat sie Mitte 2021 ihre Arbeit aufgenommen. Ihre Aufgabe ist es, gegen grenzübergreifende Großkriminalität vorzugehen, indem sie Straftaten wie Betrug, Korruption und schweren Mehrwertsteuerbetrug untersucht, strafrechtlich verfolgt und vor Gericht bringt. Dabei arbeitet sie mit nationalen Staatsanwaltschaften und Ermittlungsbehörden sowie weiteren europäischen Behörden eng zusammen. Allein im Jahr 2022 wurden 1.117 Ermittlungsverfahren geführt, davon 114 in Deutschland. Der geschätzte Gesamtschaden zulasten des EU-Haushalts beläuft sich auf 14,1 Milliarden Euro. Allein auf Deutschland entfallen davon 1,8 Milliarden Euro.