Interview

„Der Wahlkampf wird hart werden“

Finanzminister Dr. Danyal Bayaz sitzt auf Treppen vor dem Neuen Schloss in Stuttgart

Im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung blickt der neue Finanzminister Dr. Danyal Bayaz zurück auf seine Zeit als Abgeordneter und erzählt, was er daraus für sich persönlich mitnimmt. 

Mir war es wichtig, die Interessen der Region in Berlin gut zu vertreten

Herr Bayaz, wie viele Kilometer haben Sie in den letzten vier Jahren zwischen Berlin und der Kurpfalz zurückgelegt?

Dr. Danyal Bayaz: Das habe ich – ehrlich gesagt – nicht gezählt, aber mehrere Zehntausend werden es schon gewesen sein.

Was haben Sie in dieser Zeit für die Region erreichen können?

Bayaz: Mir war es immer wichtig, die Interessen und Perspektiven unserer Region in Berlin gut zu vertreten. Als Oppositionspolitiker ist das häufig nur indirekt möglich. Aber gerade an parteiübergreifenden Themen wie dem Bahnausbau zwischen Mannheim und Karlsruhe oder in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, die auch für unsere Region wichtige Impulse setzt, habe ich sehr gern mitgearbeitet. Besonders wichtig war mir, die Belange junger Menschen in den Blick zu nehmen: Schulbesuche, Vergabe von USA-Stipendien oder auch, dass ausländische Studierende bei uns in der Region während der Corona-Pandemie ein Studium aufnehmen konnten.

Was macht den Spargelwahlkreis aus?

Bayaz: Der Name ist ja zweideutig: Einerseits sind wir unheimlich stolz auf unseren hervorragenden Spargel. Zum anderen suggeriert es: Außer dem Gemüse gibt’s hier nichts. Das ist natürlich überhaupt nicht der Fall, im Gegenteil: Unsere Region verfügt über wunderschöne Natur, hoch innovative Unternehmen und engagierte, tolle Menschen. Die Leute sind bodenständig und sagen klar, wenn ihnen etwas nicht passt. Diese direkte Art mag ich.

Mehr Gegenseitiges Verständnis zwischen den Landkreisen

Der Wahlkreis besteht aus zwei Landkreisen: einem Teil des Rhein-Neckar-Kreises und einem Teil des Landkreises Karlsruhe. Welche Besonderheiten und Probleme bringt das mit sich?

Bayaz: Unsere Landkreislogik ist schon etwas Besonderes, das wurde mir erst im Laufe der Zeit deutlich. Es fühlte sich manchmal so an, als verlaufe eine unsichtbare Wand zwischen den beiden Landkreisen. Das liegt natürlich auch daran, dass dies gewachsene politische Strukturen sind. Gerade wir Abgeordnete stehen dann auch in der besonderen Verantwortung, Brückenbauer zu sein. Was dem einen Landkreis gefällt, ist für den anderen schon wieder ein Problem. Hier würde ich mir für die Zukunft mehr gegenseitiges Verständnis wünschen.

Ticken Kurpfälzer und Badener denn wirklich unterschiedlich?

Bayaz: Das erzählt man sich gern. Und innerhalb der Kurpfalz soll "der Mannheimer" anders als "der Schwetzinger" und sowieso ganz anders als "der Heidelberger" sein. Ich halte davon wenig. Natürlich haben wir alle unsere Bräuche, Traditionen und Dialekte, das ist für unsere Identität auch wichtig. Aber mich hat immer mehr interessiert, was uns verbindet, nicht was uns trennt. Ich selbst bin gebürtiger Heidelberger, das ist Heimat. Politisch verstehe ich mich vor allem aber als Europäer.

Was hätten Sie als Bundestagsabgeordneter gern noch erreicht?

Bayaz: Ich bin jemand, der gern eine Sache zu Ende bringt, bevor er eine neue beginnt. Zuletzt hatten mein Team und ich sehr viel Arbeit in den Wirecard-Untersuchungsausschuss gesteckt. Den Abschlussbericht werden wir nun aufgrund meines Wechsels in die Landesregierung nicht mehr gemeinsam abschließen können. Das bedaure ich, aber es geht nun mal nicht anders.

Welche Baustellen warten Ihrer Meinung nach auf den nächsten Grünen Bundestagskandidaten im Wahlkreis?

Bayaz: Der Wahlkreis ist doch deutlich ergrünt in den letzten Jahren. Da gibt es viele extrem engagierte und erfolgreiche Grüne Gemeinderäte, dazu kommt der frisch gewählte Landtagskollege und Staatssekretär Andre Baumann. Das ist eine gute Ausgangslage für den Wahlkampf. Ich bin davon überzeugt, dass Grüne Politik in unserer Region großes Potenzial hat. Wir sind erfolgreich, wenn wir die Mitte der Gesellschaft ansprechen, auf die Menschen zugehen und dabei die wichtigsten Themen im Gepäck haben: Wirtschaft, Klimaschutz, sozialer Zusammenhalt.

Ich bin gespannt, wer das Rennen macht

Zeichnet sich denn schon ab, wer Ihre Nachfolge als Kandidat bei der Wahl im Herbst antreten könnte?

Bayaz: Es gibt da einige sehr kompetente und engagierte Kandidatinnen und Kandidaten. Das letzte Wort hat – wie üblich bei uns Grünen – die Basis. Ich bin gespannt, wer das Rennen macht.

Um in den Bundestag einzuziehen, müsste die- oder derjenige das Direktmandat holen. Halten Sie das für realistisch? Und wie schwierig wird der Wahlkampf?

Bayaz: In der politischen Landschaft verschiebt sich gerade einiges. Von daher: Alles ist drin. Der Wahlkampf wird allerdings hart werden, der Wind wird stärker von vorne blasen, darauf sollte man sich einstellen. Wichtig ist: Der Wahlkampf unter Demokraten muss immer fair sein.

Haben Sie ein schlechtes Gewissen, dass Sie als Kandidat fünf Monate vor der Wahl abgesprungen sind?

Bayaz: Wir alle hatten das vor Kurzem noch anders geplant, ich auch. Natürlich habe ich meine Kreisverbände rechtzeitig informiert, um das weitere Vorgehen gemeinsam zu besprechen. Den meisten ging es dabei wie mir, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mich haben unheimlich viele Nachrichten von Mitgliedern in den letzten Tagen erreicht. Tenor der allermeisten Rückmeldungen war, dass sie stolz darauf sind, dass ihr Abgeordneter nun Finanzminister in Stuttgart geworden ist. Das hat mich sehr gefreut. Natürlich bleibe ich den Grünen, aber auch der Bevölkerung in der Region stark verbunden.

Wir müssen unser Landesvermögen hegen und pflegen

Als Finanzminister sind Sie nun unter anderem für die Staatlichen Schlösser und Gärten in Baden-Württemberg verantwortlich – und damit auch für die Schlösser in Schwetzingen und Bruchsal. Hat sich Ihr Blick auf die Monumente dadurch verändert?

Bayaz: Besuche im Schwetzinger Schlossgarten und im barocken Schloss Bruchsal sind immer etwas ganz Besonderes. Da ist es ganz egal, ob ich sie privat erlebe, als Bundestagsabgeordneter oder nun als Finanzminister. Trotzdem werde ich künftig sicher mit anderem Blick darauf schauen: Ist alles in Schuss? Muss saniert werden? Wir als Land müssen schließlich unser bestehendes Landesvermögen hegen und pflegen. Denn es ist das Vermögen der Menschen in Baden-Württemberg.

Sie sind gebürtiger Heidelberger und haben nie im Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen gewohnt. Konnten Sie sich trotzdem mit der Region identifizieren?

Bayaz: Na klar, immerhin bin ich ein Junge aus der Region. Meine Arbeit in den letzten Jahren hat mich aber natürlich nochmals näher an die Gemeinden im Wahlkreis und ihre Menschen herangebracht. Wenn ich durch den Schwetzinger Schlossgarten spaziere, Spargel aus der Region esse oder mir eine Welde gönne, dann empfinde ich auch Stolz, dieser Region in den letzten Jahren gedient zu haben.

Das Gespräch führte Anna Manceron.

Quelle:

Das Interview erschien am 29. Mai 2021 in der Rhein-Neckar-Zeitung

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