Rede

Demokratisches Bankett Schloss Rastatt

Finanzminister Bayaz bei seiner Rede für das Demokratische Bankett Schloss Rastatt

Rede von Finanzminister Danyal Bayaz anlässlich 175 Jahre Badische Revolution und 50. Jubiläum der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hollmann,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Harbarth,
sehr geehrte Frau Dr. Thalhofer,
liebe Gäste,

ich freue mich hier zu sein, ist für mich nicht nur Privileg und eine Ehre für unsere Schlösser im Land, wie dieses Wunderschöne, verantwortlich sein zu dürfen, sondern auch eine gute Abwechslung zu ziemlich zähne und schwierigen Verhandlungen zum Haushalt. Da geht’s uns nicht anders als dem Bund, nur eben mit weniger Dramatik.

Ich wurde gebeten, heute bei diesem Bankett eine Tischrede zu halten. Das mache ich sehr gerne. Denn zu feierlichen Anlässen gehört ein Toast, ein Toast mit geschichtlichem Einschlag.

Und ich hoffe, mein Vorredner ist dabei nicht zu kritisch mit mir. Sein Vater war nämlich in Heidelberg mein Geschichtslehrer, als ich dort vor 20 Jahren mein Abitur gemacht habe.

Als Teil der Märzrevolution in den Staaten des deutschen Bundes wird die Badische Revolution oft als besonders radikal beschrieben.

Und zwar, weil Protagonisten wie Friedrich Hecker oder Gustav Struve sich nicht mit dem Fortbestand der Monarchie oder Herzogtümern arrangieren wollten.

Ihr Ziel war die Schaffung einer demokratischen Republik. Das war radikal und damit waren sie und ihre Mitstreiter in Baden ihrer Zeit weit voraus.

Das war sicher auch einer der Gründe für das Scheitern der Revolution von 1848/49. Die unterschiedlichen Ziele der Bewegungskräfte, die sich in der Zeit über den gesamten europäischen Kontinent verteilten, harmonierten zu wenig miteinander.

Es gab viele lokale Aufstände. Aber keine gemeinsame Bewegung. Es gab zwar einen deutschen Bund, aber keinen föderalen Staat.

Bis dahin sollte noch sehr viel Zeit vergehen. 

Und dennoch feiern wir heute die gescheiterte Revolution als Meilenstein unserer Demokratiegeschichte. Diese Geschichte verläuft nicht linear.

Unsere demokratische Erinnerungskultur ist geprägt durch die Auseinandersetzung mit negativen Ereignissen.

Beim Wort Erinnerungskultur kommen einem sofort die Zeit von 1933 bis 1945 und der Holocaust in den Sinn. Dabei können wir demokratiehistorisch auch auf ganz andere Ereignisse blicken. Und damit auf eine positive Seite Deutscher Geschichte.

Die Erinnerungsstätte im Schloss Rastatt leistet ihren Beitrag dazu. Das geht unter die Haut, wenn man sie besucht. Ich jedenfalls habe Stolz und Würde dabei empfunden.

Die Revolution vor 175 Jahren ist der erste große Fixpunkt auf dem Weg zu unserer heutigen Demokratie.

1848 und 1849 traten die Menschen ausgehend aus Baden für eine deutsche Republik ein. Damals war die Demokratie noch weit entfernt und vor allem kaum erprobt.

Deswegen kam es zur Revolution. Denn Reformen, wie wir sie in einer Demokratie kennen, gab es so damals nicht. Veränderungen mussten oft erkämpft werden. Auch blutig erkämpft werden.

So rief zunächst Friedrich Hecker in Konstanz 1848 eine demokratische Republik aus. Sein so genannter Hecker-Zug zur Entmachtung des Großherzogs von Karlsruhe scheiterte jedoch.

Trotzdem hat die Wochenzeitung Kontext ihn zu einem Star der Revolution erklärt - einem "badischen Che Guevara". Wie Hecker scheiterte auch Gustav Struve mit dem zweiten Anlauf zur Ausrufung der Republik. Sein Aufstand, der unter der Parole "Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle" in Lörrach startete, brachte ihn ins Gefängnis.

Trotzdem tönte noch einmal in der Endphase der badischen Revolution der Ruf "Wir sind das Volk, das seine Freiheit fordert!" aus dem Ehrenhof dieses Schlosses.

Preußische Truppen beendeten die republikanischen Bestrebungen aus Baden dann. Und trotzdem gilt diese gescheiterte Revolution heute als Erfolg.

Sie öffnete das Fenster zur Moderne. In Ihrer Folge wurden wichtige Reformen für die Demokratisierung umgesetzt. Darauf komme ich noch.

Was damals den meisten Menschen noch nicht bewusst war: es ist die Demokratie, die ihren Bürgerinnen und Bürgern die größtmögliche Freiheit sichert. Aber nur wenige wie Hecker und Struve wollten komplett mit dem alten System brechen.

Zwar wurde durch den Funkenflug der französischen Februarrevolution auch in den Gebieten des damaligen deutschen Bundes der Widerstand entfacht. Aber die Beharrungskräfte des feudalen Systems wurden unterschätzt. Vor genau 175 Jahren wurden die Aufständischen aus diesem Schloss vertrieben.  

Aber der Aufbruch zur demokratischen Republik war eingeleitet. 

Es wurden Grundsteine gelegt, die bis heute unsere Bundesrepublik prägen:

  • Schon im Vormärz wurden Schwarz, Rot und Gold zu den Farben des deutschen Republikanismus. 

  • Und wer sich die Grundrechte der Paulskirchenverfassung neben unser Grundgesetz legt, der findet viele, teils gleichlautende Formulierungen.

Ich will ein paar Beispiele nennen:

  • das Recht auf Freizügigkeit,

  • die Unverletzlichkeit der Wohnung,

  • die Glaubens- und Gewissensfreiheit,

  • das Recht auf Meinungsfreiheit,

  • die Freiheit der der Wissenschaft, die Versammlungsfreit, die Unverletzlichkeit des Eigentums oder

  • der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 unseres Grundgesetzes fanden sich so oder ähnlich auch schon in der Verfassung des Deutschen Reiches von 1849.

Der Gleichheitsgrundsatz umfasste noch nicht die Gleichstellung von Mann und Frau. Aber trotzdem zeugt die Verfassung von 1849 von einem klaren Verständnis dafür, welche Rechte die Bürgerinnen und Bürger eines Staates für ein Leben in Freiheit und Sicherheit benötigen.

Die Märzforderungen, die 1848 in der Mannheimer Volksversammlung formuliert wurden, haben ihren Einfluss auf den Verfassungsprozess maßgeblich entfaltet. So kann sich Baden auch Wiege unserer Demokratie nennen.

Der Ort für die Erinnerungsstätte in Rastatt ist gut gewählt.

Die Frauenrechte wurden erst beim nächsten großen Fixpunkt unserer Demokratiegeschichte entwickelt. Frauen erhielten 1918 das Wahlrecht und waren ein Jahr später bei den Wahlen zur Weimarer Republik wahlberechtigt. Der Einfluss von Frauen für Veränderungen wird wenig gewürdigt.

Wer von Ihnen kennt Emma Herwegh?

Ich kannte sie nicht, bis ich vor kurzem einen Podcast über sie gehört habe.

Emma Herwegh war auch eine zentrale Figur der Revolution von 1848/49. Sie beteiligte sich zeitweise an der Revolution in Paris, war dann auch hier in Baden aktiv und wurde per Steckbrief gesucht. Auch nach der gescheiterten Revolution bleib sie aktiv und war zeitlebens eine frühe Vorkämpferin der Frauenrechtsbewegung.

Zusammen mit ihrem Mann, dem Dichter Georg Herwegh, hatte sie schon damals die Idee eines europäischen Staatenbundes.

Wir haben sie heute beinahe vergessen.

1949 wurde in der nächsten Phase unserer Demokratie dann die Gleichberechtigung in unser Grundgesetz geschrieben. Etwas, wofür Emma Herwegh hundert Jahre zuvor gekämpft hatte. Aber es bedurfte weiterer Reformen, um das nicht zu einem reinen Papierbekenntnis werden zu lassen.

Bis 1958 durften Frauen zum Beispiel nur mit Zustimmung des Mannes einen Führerschein machen.

Das kommt uns heute weltfremd, ja empörend vor. Es zeigt aber auch, dass die Werte des Grundgesetzes auch konsequent durchgesetzt werden müssen. Dann können unsere Demokratie und unser Grundgesetz eine besondere Kraft entfalten für unsere Gesellschaft.

Eine Gesellschaft, zu der seit der friedlichen Revolution von 1989/90 als bisher letzte große Zäsur für unsere Demokratie, auch die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR gehören.

Sebastian Krumbiegel weiß, welche Unterschiede zwischen einem autoritären Staat und unserer Demokratie bestehen. Heute ist es die Demokratie jeder und jedes Deutschen. Der Titel eines Buches von Ihnen lautet: "Courage zeigen - warum ein Leben mit Haltung gut tut". Aus diesem Titel wird deutlich, dass eine Demokratie auch anstrengend sein kann.

Daran hat uns auch immer, ein Sohn dieses Landes, der ganz aus der Nähe kommt, immer dran erinnert. Wolfgang Schäuble, der Demokratie als Zumutung verstand, weil sie Menschen etwas abverlangt. Weil sie eben nicht nur von extremen Rändern bedroht wird, sondern auch von der Bequemlichkeit in der Mitte.

Sie braucht Demokratinnen und Demokraten, die sie gestalten und ihre Werte verteidigen. Das gilt aktuell wie selten zuvor. Denn unsere Demokratie wird von außen und von innen bedroht.

Von einer Partei, die sich auf die Grundprinzipien unserer Verfassung beruft, diese aber mit Füßen tritt. Teile ihrer Mandatsträger werben offen für autoritäre Regime - manchmal auch gegen Bezahlung.

Und von Diktatoren wie Wladimir Putin, der in der Ukraine seinen Stellvertreterkrieg gegen die Werte europäischer Demokratien führt. Wir werden wehrhaft sein müssen, um diesen äußeren und inneren Aggressionen erfolgreich begegnen zu können.

Die Demonstrationen für unsere Demokratie im ganzen Land machen mir Mut. Viele Menschen haben verstanden, dass die Geschichte unserer Demokratie weitergeschrieben muss. Und dass es dafür Engagement braucht.

Ich will meinen Toast aussprechen auf die Geschichte dieses Ortes.

  • Auf die Badische Revolution, die trotz ihres Scheiterns eine Erfolgsgeschichte ist.

  • Auf die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen der deutschen Geschichte, die seit 50 Jahren hier im Schloss Rastatt ein wichtiger Ort der Aufklärung und Erinnerung an unsere demokratischen Wurzeln ist. Ein Ort der Hoffnung und der Zuversicht.

  • Und auf unsere Demokratie in der Bundesrepublik, die uns ein Leben in Freiheit, Sicherheit und unter Mitsprache ermöglicht. Dinge, wofür die Menschen vor 175 Jahren gekämpft haben. Daran erinnern wir uns heute, weil daraus auch Verantwortung für die Zukunft erwächst.

Zum Wohl.