Ein funktionsfähiger Staat ist die Grundlage für Wohlstand und auch für unsere Demokratie. Welchen Beitrag kann die Finanzpolitik leisten? Finanzminister Dr. Danyal Bayaz hat dazu seine Ideen für table.media aufgeschrieben: Mehr Zukunftsorientierung bei öffentlichen Ausgaben, mehr Wirkungskontrolle und eine stärkere Datenorientierung.
Starke Institutionen sind entscheidend für eine gelingende Demokratie und für volkswirtschaftlichen Erfolg. Starke Institutionen bedeutet aber auch, dass sie sich ändern und anpassen müssen. Heute gilt: Wir müssen die Haushaltspolitik auf die Zukunft ausrichten, nach Wirkung beurteilen, auf Daten basieren. Sonst verlieren wir Vertrauen und Leistungsfähigkeit des Staates.
Vergangenes Jahr haben drei Wirtschaftsforscher den Nobelpreis erhalten, die über die Bedeutung von Institutionen und die Qualität öffentlicher Behörden für den Wohlstand von Nationen forschen. Ihr Ergebnis: Demokratien mit starken öffentlichen Institutionen entwickeln sich ökonomisch sehr viel erfolgreicher als vergleichbare Staaten. Allein dieses Forschungsergebnis sollte uns zu der Erkenntnis bringen, dass ein funktionsfähiger Staat zu den wichtigsten Grundlagen unseres Wohlstands gehört. Dazu muss er sich allerdings auch an neue Trends und dynamische Entwicklungen anpassen können.
Denn die laufenden Veränderungsprozesse betreffen auch den Staat und die Verwaltung. Demografischer Wandel, Ressourcen- und Klimaschutz, Fachkräftemangel und die Digitalisierung sind Themen, mit denen auch meine Finanzverwaltung stetig beschäftigt ist. Dies kommt in der aktuellen Diskussion um die Schuldenbremse oft zu kurz. Doch mindestens so wichtig wie die Frage nach neuen Mitteln ist die nach einem effizienten Staat, der bestehende Mittel für die richtigen Anliegen und auf richtige Art und Weise investiert. Es gibt gute Vorschläge und Ansätze, wie wir ihnen auch in der Finanz- und Haushaltspolitik begegnen können. Drei Impulse:
Erstens muss Finanzpolitik zukunftsorientiert sein. Das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW) hat dafür mit der Zukunftsquote einen innovativen und hilfreichen Indikator entwickelt. Mit ihr wird gemessen, wie hoch der Zukunftsbeitrag bei den Ausgaben in öffentlichen Haushalten ist. Die häufige Fokussierung auf reine Investitionen greift da zu kurz. Personalausgaben im Bildungs- und Forschungsbereich werden zum Beispiel bislang nicht erfasst. Diese Lücke schließt die Zukunftsquote des ZEW. Auch Sachinvestitionen werden anhand ihrer Zukunftsausrichtung kritischer bewertet, als bei der reinen Investitionsbetrachtung. Das ist richtig und plausibel, denn natürlich macht es einen Unterschied, ob der Staat in moderne Netze oder in veraltete Technik investiert.
Neben einem stärkeren Fokus auf die Zukunftsfähigkeit muss als zweiter Punkt die Wirkungsorientierung öffentlicher Ausgaben eine größere Rolle spielen. Um die Ziele Baden-Württembergs im Bereich von Klimaschutz und Nachhaltigkeit möglichst effizient steuern zu können, nimmt das Land an einem Green Budgeting Projekt der EU teil. Ziel ist ein möglichst effizienter Einsatz öffentlicher Mittel im Bereich des Klimaschutzes. Dafür braucht es Transparenz über Investitionen und zusätzlich eine Überprüfung der Wirksamkeit und Vergleichbarkeit dieser Investitionen. Das gilt nicht nur für den Klimaschutz. Bislang ist der politische Raum grundsätzlich sehr Input dominiert: So und soviel Millionen für Breitband wurden im Wahlkreis X investiert, so und so viel Milliarden sind für das Förderprogramm Y abgeflossen. Das sagt zunächst einmal ziemlich wenig darüber aus, wie viele zusätzliche Breitbandanschlüsse damit errichtet oder wie stark zusätzliche private Investitionen mobilisiert werden konnten - geschweige denn, ob an anderer Stelle mit denselben Mitteln mehr Output (Ergebnis) oder gar Outcome (Wirkung) hätte erreicht werden können.
Ein dritter Punkt ist dabei wichtig: eine stärkere Datenorientierung beim Einsatz öffentlicher Mittel. Dafür müssen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, aber auch Unternehmen und die Verwaltung selbst in die Lage versetzt werden, mit öffentlichen Daten und Kennzahlen zu arbeiten. Häufig stehen dem Datenschutz, Datenverfügbarkeit und Silo-Strukturen entgegen. Dabei hat uns die Pandemie die Bedeutung von wissenschaftlicher und evidenzbasierter Politikberatung vor Augen geführt. Auch für den möglichst effizienten Einsatz öffentlicher Mittel sind gute Prognosen und Folgeabschätzungen von politischen Entscheidungen hilfreich. Die Basis dafür liegt in der Analyse vorhandener Daten. Besonders in Krisenzeiten ist es wichtig, Ad-hoc-Maßnahmen fundiert zu begründen und ihre Folge absehen zu können.
Mit diesem Dreiklang aus Zukunfts-, Wirkungs- und Datenorientierung können wir unsere Finanz- und Haushaltspolitik vom Bund über die Länder bis zur Kommune leistungsfähiger machen. Die Zeit drängt. Der Unwille zu größeren Reformen hat unser Land in den vergangenen Jahren an internationaler Wettbewerbsfähigkeit einbüßen lassen. Die Bedeutung funktionierender Institutionen und eines leistungsfähigen Staates ist wissenschaftlich belegt. Wir müssen aus diesen Erkenntnissen die richtigen Schlüsse ziehen.
Wir müssen unseren Staat erneuern, um die Demokratie zu bewahren. Die Lage ist dringlich, die künftige Bundesregierung muss handeln – sagt ein Bündnis aus Vorreiter:innen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Das Bündnis ist aus dem Netzwerk der Allianz Re:Form entstanden, die von der gemeinnützigen Organisation Project Together initiiert wurde, in Zusammenarbeit mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen Agora Digitale Transformation und NExT.Ziel des Bündnisses ist es, inspirierende Stimmen und Ideen parteiübergreifend zu bündeln, systemische Lösungen zu entwickeln und konkrete Ansätze in die Praxis zu bringen – für eine zukunftsfähige Demokratie und einen handlungsfähigen Staat.
Veröffentlicht am 9. Februar 2025 auf table.media