Das Land richtet seine Finanzanlagen konsequent auf Nachhaltigkeit aus. Dafür hat der Landtag das Gesetz für nachhaltige Finanzanlagen beschlossen. Das betrifft ein Volumen von 17 Milliarden Euro.
Nachfolgend finden Sie die Rede anlässlich der zweiten Beratung des Gesetzes für nachhaltige Finanzanlagen in Baden-Württemberg von Finanzminister Dr. Danyal Bayaz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
es ist ein guter und es ist ein wichtiger politischer Schritt, den wir heute machen. Wir verankern die Nachhaltigkeit als Grundprinzip für alle Finanzanlagen unseres Landes.
Auf Bundesebene diskutiert man gerade die genaue Ausgestaltung der Aktienrente. Da geht es im ersten Schritt um 10 Milliarden Euro. Das gleiche Volumen, das wir über Jahrzehnte in Versorgungsfonds und Versorgungsrücklage für das Land Baden-Württemberg angespart haben.
Nun gibt es im Bund eine politische Debatte darüber, ob dieses Instrument geeignet ist, auch die Beitragszahler perspektivisch zu entlasten und die Rente zu stärken. Das soll aber heute nicht unser Thema sein.
Aber worüber erstaunlicherweise nicht geredet wird, ist: Wie sollen diese Mittel angelegt werden?
Und sind die bisherigen Strategien des Bundes im Bereich der Vermögensverwaltung ausreichend konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtet?
Ich finde, wer die Rente nachhaltig finanzieren will, der darf bei der Nachhaltigkeit der Geldanlage keine Abstriche machen. Das habe ich auch dem Bundesfinanzminister geschrieben und für unseren Weg geworben.
Der Briefwechsel ist wahrscheinlich nicht so unterhaltsam wie der zwischen dem Bundesfinanz- und dem Bundeswirtschaftsminister.
Aber das Anliegen ist nicht weniger wichtig. Wir machen es in Baden-Württemberg mit dem Gesetz für nachhaltige Finanzanlagen vor. Der Bund muss sich ab heute an unseren Kriterien messen lassen!
Lassen Sie mich die drei wesentlichen Punkte des Gesetzes noch einmal erläutern:
Erstens,
Wir verpflichten uns zur Reduktion der Treibhausgase entlang der Lieferkette bei den Unternehmen, von denen wir Aktien oder Anleihen halten.
Damit stellen wir den direkten Bezug zwischen 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens und unseren Finanzanlagen her.
Zweitens,
wir definieren konsequente Ausschlusskriterien.
Für Unternehmenstitel orientieren wir uns an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, der EU-Taxonomie und am 1,5-Grad-Ziel.
Einige Beispiele, wie diese Ausschlüsse funktionieren:
- Das dritte Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen lautet "Gute Gesundheit". Tabakhersteller fallen deshalb durch.
- Das achte Ziel der Vereinten Nationen ist "Gute Arbeit", das zehnte Ziel "Ungleichheit reduzieren". Daraus resultieren Ausschlüsse bei Einschränkungen der Mitbestimmung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz.
- Und ein Beispiel bei den fossilen Energien: Ein Unternehmen, das im Bereich Abbau von Kohle mehr als ein Prozent seiner Umsätze erzielt, ist nicht investierbar.
Sie sehen an diesen Beispielen: Manche Geschäftsfelder sind an sich nicht nachhaltig - das ist aber die Minderheit - in den übrigen Fällen geht es um die Frage, wie Ausschlüsse erfolgen.
Da sind wir neben der ökologischen auch bei der sozialen Nachhaltigkeit mit unseren Vorgaben sehr konsequent
Das gleiche gilt auch bei Staatsanleihen:
Hier sind die internationalen Abkommen zu Menschenrechten, Waffen, Umwelt sowie externe Bewertungen von Korruption und Menschenrechten maßgeblich.
Die Emittenten, die wesentliche Abkommen nicht ratifiziert haben, oder deren Standards kritisch gesehen werden, die bleiben außen vor.
Zwei Beispiele deshalb von ausscheidenden staatlichen Emittenten:
- Finnland hat die Streubombenkonvention der Vereinten Nationen nicht ratifiziert.
- Iran hat das Pariser Klimaschutzabkommen nicht gezeichnet.
Und - um das mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine festzuhalten: Auch Länder, die Angriffskriege führen, werden ausgeschlossen.
Der dritte Nachhaltigkeits-Mechanismus:
Wir formulieren den Anspruch, auch bei den Unternehmen, bei denen wir investiert sind, auf weitere konsequente Transformation und Verbesserung der Nachhaltigkeit hinzuwirken. Das bedeutet die aktive Nutzung von Aktionärsrechten statt einfach nur passives Beobachten.
Das Land Baden-Württemberg orientiert sich mit diesem Gesetz an den aktuellen Standards für nachhaltige Finanzanlagen:
- Schleswig-Holstein hat bereits im Jahr 2021 ein Gesetz zur nachhaltigen Finanzanlage verabschiedet. Ja. Das hat uns inspiriert. Wir orientieren uns jetzt konsequent am 1,5-Grad-Ziel und mit den Ausschlüssen gemäß den UN-Nachhaltigkeitszielen gehen wir weiter als die Kolleginnen und Kollegen im Norden.
Wir orientieren uns in der Ausgestaltung auch eng an den Vorgaben der EU. Dort wurde definiert, wann ein Index sich "orientiert an den Pariser Klimaschutzzielen" nennen darf.
- Und wir berücksichtigen auch die EU-Taxonomie frühzeitig in unserem Regelwerk. Vom Start weg werden wir den taxonomiekonformen Umsatzanteil in unseren Finanzanlagen in den Blick nehmen können, sobald dafür die Daten verfügbar sind.
Wir wollen vor der Welle bleiben und wir wollen Standards setzen, Liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung arbeitet gerade an einer deutschlandweiten Plattform für ein gemeinsames Engagement mehrerer Investoren und Vermögensverwaltungen.
Wir wurden bereits im Gesetzgebungsprozess angefragt, weil wir das Thema in diesem Gesetz verankert haben.
Ich würde mich in jedem Fall freuen, wenn der Bund unserem Beispiel folgt.
Meine Damen und Herren,
wir haben uns in der ersten Beratung und im Finanzausschuss auch immer wieder zur Frage der Rendite ausgetauscht.
Da gibt es die fachlichen Argumente aus der Finanzforschung - auf die bin ich in der ersten Beratung eingegangen. Ergebnis: Es bleibt abzuwarten.
Dann gibt es da aber auch die politische Frage. Und die lautet: Wollen und sollen wir als Land mit Menschenrechtsverletzungen Geld verdienen? Mit Umweltverschmutzung? Mit der Ausbeutung von Mitarbeiter/-innen?
Als Landesregierung geben wir mit diesem Gesetz eine eindeutige Antwort. Vielleicht holen wir nicht die größtmögliche Rendite - aber zumindest eine, die unseren Werten und Ansprüchen entspricht.
Nicht umsonst haben wir zuletzt auch Paragraph 7 der Landeshaushaltsordnung um den Begriff der Nachhaltigkeit ergänzt. Denn Wirtschaftlichkeit auf Kosten der Nachhaltigkeit ist nicht die Maxime dieser Landesregierung
Meine Damen und Herren,
Wir setzen für unsere Versorgungsvermögen und die weiteren Finanzanlagen des Landes mit dem vorliegenden Gesetz klare Leitplanken:
- Nachhaltigkeit ist gleichberechtigtes Ziel der Finanzanlage.
- Als staatlicher Investor müssen unsere Finanzanlagen den von uns an anderer Stelle vertretenen Werten entsprechen.
- Das 1,5-Grad-Ziel wird in einen Abbaupfad für CO2 für unsere Finanzanlagen übersetzt.
Und nicht zuletzt: Wir wollen und werden uns daran messen lassen:
- alle zwei Jahre erstatten wir dem Landtag Bericht
- nach vier Jahren legen wir eine Evaluation vor
Denn: Das Themenfeld nachhaltige Finanzen ist hoch dynamisch. Was heute dem Stand der Regulierung entspricht, kann in vier Jahren schon Anpassungen erfordern.
Wir wollen auch nach Beschluss des Gesetzes weiter dazulernen, wir wollen besser werden, wir wollen auf dem neuesten Stand der Forschung sein und bestmögliche Daten dafür nutzen.
Und wir werden Sie, sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete, an diesem Lernprozess und den in der Umsetzung gemachten Erfahrungen teilhaben lassen.
Sie können diesem Gesetz mit gutem Gewissen zustimmen. Vielen Dank dafür!