Rede

Reden von Dr. Danyal Bayaz: Wie kann der Staat nachhaltiges Wachstum unterstützen?

Finanzminister Danyal Bayaz

Nachfolgend finden Sie die Rede von Finanzminister Dr. Danyal Bayaz bei den Munich Economic Debates. Eine Videoaufzeichnung der gesamten Veranstaltung inklusive der Rede finden Sie hier.


Sehr geehrter Herr Fuest,

vielen Dank für die freundliche Begrüßung. Ich freue mich sehr über Ihre Einladung zu den Munich Economic Debates. Über unseren Standort und über den wirtschaftlichen Ausblick für die Bundesrepublik gibt es aktuell viel zu diskutieren. Wo könnte man das in Bayern besser, als bei der größten IHK Deutschlands, dem ifo und der Süddeutschen Zeitung. Auch an Sie Frau Wittwer vielen Dank für die Einladung. Und an Sie Herr Gößl, mein Dank als Gastgeber.  

Liebe Ehrengäste,
sehr geehrte Damen und Herren,

vergangene Woche habe ich zwei Veranstaltungen besucht, die exemplarisch für die ökonomischen Debatten stehen, die wir aktuell in der Bundesrepublik führen.

Zunächst war ich hier in München auf der IAA: rund um die Automesse gab es viele kritische Berichte zum Zustand einer unserer Leitindustrien. Im globalen Wettbewerb - besonders mit Tesla und chinesischen Elektroautobauern - haben wir unseren Vorsprung eingebüßt. Das war das Credo vieler dieser Berichte. 

Dann war ich in Berlin auf dem Kämmerertag. Dort ging es um den Stand unserer föderalen Finanzen.

Die Städte und Gemeinden machen sich große Sorgen, dass die geplanten steuerlichen Impulse für Unternehmen ihre Haushalte überfordern. Dazu Flüchtlinge, Kita-Ausbau (Fachkräfte) etc. Zusätzlich wird auch in den kommunalen Verwaltungen das Klagen über immer neue Vorgaben und bürokratische Aufgaben lauter. 

Auf der einen Seite wurde Handlungsbedarf identifiziert. Auf der anderen Seite stießen die Vorschläge für Veränderungen bei den Steuern auf große Skepsis.

Der neue Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel hat kürzlich im Spiegel gesagt, ich zitiere: "wir sind Veränderungs-Angsthasen geworden."

Meine Beobachtungen der letzten Wochen bestätigen Moritz Schularick in dieser Einschätzung. Manchmal stehen wir uns selbst im Weg oder blockieren uns. Und im Zweifel sehen wir das Negative und malen ein düsteres Bild.

Ich werde heute skizzieren, was es meiner Meinung nach braucht, um diesen Zustand zu überwinden und als Standort wieder an Wettbewerbsfähigkeit zuzulegen. Denn erfolgreiche Unternehmen und eine gut laufende Konjunktur gehören zu den Grundvoraussetzungen einer nachhaltigen Finanzpolitik. Und für damit für das Funktionieren des Gemeinwesens.

Zunächst möchte ich kurz zurückblicken und den Status Quo erläutern.

Die letzten Monate und Jahre waren geprägt durch Krisen. Pandemie und Energieknappheit haben zu einer starken Verunsicherung der Menschen in unserem Land geführt. Das gilt in gleichem Maß für unsere Unternehmen. Eine politische Aufgabe in einer solchen Zeit ist es, Stabilität und Sicherheit zu vermitteln. Das ist zuletzt in Berlin nicht immer gelungen.  

Trotzdem sollten wir anerkennen, dass die Ampel uns gut durch die akute Energiekrise gebracht hat. Dank der Arbeit im Energieministerium und bei der Bundesnetzagentur sind die Wohnzimmer im letzten Winter warm geblieben. Auch die Industrie konnte weiter produzieren.

Für eine frisch ins Amt gekommene neue Koalition war das nicht selbstverständlich. Natürlich lief nicht alles rund. Besonders auch die Kommunikation mit und über unsere hervorragenden Ökonominnen und Ökonomen war keine Glanzleistung. 

Trotzdem bleibe ich dabei: Die Arbeit der Bundesregierung an dieser Stelle verdient Anerkennung. Im aktuellen politischen Diskurs kommt so etwas gerade oft zu kurz.  

Nun komme ich zum Aber: seit Abklingen der akuten Krise und damit im Regierungsalltag gibt es in Berlin zu viele unnötige Nebengeräusche. Auch ohne Pandemie und Krieg in der Ukraine hätten wir genügend Aufgaben vor uns. Es würde helfen, diese geräuschärmer anzugehen. Den Fokus müssen wir dabei auf unsere Stärken legen. Wir müssen uns darauf besinnen, was den Standort Deutschland so erfolgreich gemacht hat.

Ich nenne Ihnen dazu zwei Beispiele:

Anfangen möchte ich mit der Innovationskraft unserer Unternehmen. Deutsche Produkte sind überall auf der Welt gefragt - nicht, weil sie billig sind, sondern weil sie in ihren Märkten zu den Besten gehören.

Die Basis dafür legen die hervorragenden Fachkräfte in den Unternehmen: Ohne unsere Ingenieure und Techniker gäbe es keine der viel zitierten Hidden Champions und Weltmarktführer im Land.

Ohne die Meister in den Handwerksbetrieben wäre unsere duale Ausbildung als Erfolgsmodell für Jugenderwerbstätigkeit nicht möglich. Und ohne Forschung und Entwicklung würde jedes Produkt schnell vom Markt verschwinden, das nicht weiterentwickelt wird.

Eine Politik zur nachhaltigen Stärkung unseres Standorts setzt hier an. Übersetzt in die Finanzpolitik bedeutet das, wir müssen zunächst als Staat unsere Schulen und Hochschulen gut ausstatten.

Das klingt jetzt wenig visionär. Aber ohne diese Basis werden wir es in Zukunft schwer haben, unseren Wohlstand zu halten.

In Baden-Württemberg fließt ein Drittel meines Landeshaushalts in die Bereiche Forschung und Bildung. Trotz Pandemie und Energiekrise haben wir diese Mittel zuletzt aufgestockt. 

Wir müssen das aber durch weitere Maßnahmen flankieren, wenn wir unsere Innovationskraft weiter erhöhen wollen:

  • die steuerlichen Bedingungen für Forschung und Entwicklung müssen verbessert werden. Die Bundesregierung hat dazu mit der Ausweitung der Forschungszulage einen Vorschlag gemacht. Als forschungsstarker Standort unterstützen wir als Land diese Pläne.
  • außerdem müssen die Rahmenbedingungen für junge Unternehmen und Startups verbessert werden. 

Viele reden gerade von De-Industrialisierung und vom Strukturwandel. Zuletzt sind die Auftragseingänge bei der Industrie deutlich eingebrochen.

Aber Wandel wird es immer geben. Eine freie Marktwirtschaft ist nie ein festes Konstrukt. Die klugen Köpfe, deren Branchen Schwierigkeiten haben, können an anderer Stelle helfen, eine neue Erfolgsgeschichte zu starten. In München wissen Sie, was ein erfolgreiches Startup-Ökosystem für einen Standort bedeutet. 

Veränderungen bedeuten eben nicht automatisch Verlust und Abschwung. Wenn wir uns anstrengen, können Veränderungen das Wohlstandsversprechen aus der alten Bundesrepublik erneuern. Was Innovationen für staatliche Haushalte bedeuten, haben wir in der Pandemie am Beispiel von Biontech gesehen.

Durch den Erfolg ihres Covid-Impfstoffs hat sich Mainz innerhalb kurzer Zeit komplett entschuldet. Dabei ging es um Milliarden.

Und Rheinland-Pfalz ist vom Nehmer- zum Geberland in unserem föderalen Finanzkraftausgleichs-System geworden. 

Ein ähnliches Beispiel können wir aktuell in Dänemark beobachten. Durch ein vom Unternehmen Novo Nordisk entwickeltes Diabetes-Mittel verändert sich das Bruttoinlandsprodukt des Landes in diesem Jahr um zwei Prozent.

Statt 0,3 Prozent zu sinken, wird das BIP voraussichtlich um 1,7 Prozent wachsen. Wegen einem Unternehmen.

Das Unternehmen hinter dem Produkt wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Nun ist es erstmals das europäische Unternehmen, mit der höchsten Börsenbewertung. Ohne Forschung und Entwicklung, ohne Innovationen, ist so eine Erfolgsgeschichte undenkbar.

Damit komme ich zum zweiten Punkt. Er hängt eng mit dem ersten zusammen. Es geht um unsere Handelspolitik. Ohne freien Handel sind Entwicklungen wie die von Biontech oder Novo Nordisk unmöglich.

Kaum ein westliches Land hat mehr von der Globalisierung profitiert, als die Bundesrepublik. Kaum ein Land profitiert mehr von den offenen Grenzen innerhalb der Europäischen Union.

Offene Märkte und freier Handel, auch Migration, wenn wir an die sog. Gastarbeiter denken, waren die Wegbereiter für das deutsche Wirtschaftswunder. Und der europäische Binnenmarkt ist und bleibt die wichtigste Basis für unsere exportorientierte Industrie.

Während der Pandemie und durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine wurde der Welthandel zuletzt ausgebremst. Die Einbußen haben die aktuelle und die letzte Bundesregierung teilweise durch Hilfen kompensiert. 

Aber für die Zukunft reicht die reine Schadensbegrenzung nicht aus. Wir wollen ja nicht ein Geschäftsmodell konservieren, sondern in die Zukunft führen.

Schon unter US-Präsident Donald Trump ist der politische Konflikt zwischen den USA und China sehr viel größer geworden. Auch der Konflikt von China mit Taiwan kann jederzeit eskalieren.

Und mit dem russischen Angriffskrieg droht nun eine Rückkehr zur Blockbildung des Kalten Krieges. Man erkennt das zum Beispiel am Versuch der BRICS-Staaten, ihre Abhängigkeit vom Dollar zu lösen.

Die Bundesrepublik ist an vielen Stellen von chinesischen Rohstoffen und Vorprodukten abhängig. Das gleiche gilt für den Export in das Land. Eine Vertiefung der globalen Konflikte wird nicht spurlos an uns vorbeigehen. Das spielt sicherlich auch eine Rolle bei der aktuellen konjunkturellen Flaute.

Deswegen sollten wir die Lage nicht tatenlos von der Seitenlinie beobachten. Wir müssen aktiv gegensteuern.

Um unsere Abhängigkeit zu China nicht weiter steigen zu lassen, braucht es sehr viel mehr als die Ratifikation des Handelsabkommens mit Kanada. CETA kann nur der Anfang gewesen sein. Ich denke und ich hoffe, da hat auch meine Partei eine Lernkurve hingelegt.

Es braucht mehr, um das Schlagwort De-Risking aus der neuen China-Strategie der Bundesregierung mit Leben zu füllen. Es braucht eine neue Freihandelsoffensive Europas. Die Bundesregierung darf auf EU-Ebene hier nicht bremsen. Sie muss zum Drängler werden.

Wenn Europa nicht mit den Mercosur-Staaten eine Einigung erzielen kann, werden China und andere Staaten in die Lücke stoßen. Dem Regenwald ist dadurch sicher nicht geholfen.

Und wenn wir nicht mit Staaten wie Neuseeland, Australien und anderen Demokratien zusammenkommen, dann weiß ich nicht, ob wir den Ernst der Lage erkannt haben. In den letzten Jahren haben wir uns fast vollständig auf unseren Export verlassen.

Statt Reformen im eigenen Land anzustoßen, haben wir uns darauf ausgeruht, schon ein paar Autos oder Maschinen mehr zu verkaufen. Statt unsere Hausaufgaben zu erledigen und Veränderungen zu gestalten, haben wir uns zurückgelehnt. Der Economist hat sein altes Bild von Deutschland als kranken Mann Europas reaktiviert.

Das würde ich so nicht unterschreiben. Die Situation ist eine andere, als vor 25 Jahren, wo der Economist erstmals diesen Titel nutzte.

Für mich sind wir nicht der kranke Mann Europas, wir sind der bequemste Mann Europas. Und nicht im Sinne von faul, aber im Sinne von: wir haben unsere Routinen, Business as Usual.

Und genau diese Haltung ist die große Gefahr für unseren Standort. Es gibt kein Naturgesetz, auch nicht für wirtschaftlich starke Länder wie Bayern oder BaWü.

Damit komme ich von den Stärken zu den offensichtlichen Schwächen unseres Standorts, die wir abstellen müssen.

Wir müssen raus aus unserer Hängematte, in der wir es uns seit ein paar Jahren gemütlich gemacht haben. Anfangen möchte ich, vielleicht ahnen Sie es, mit dem Thema Bürokratie. Die Sonntagsreden zum Bürokratieabbau gibt es, seit es Bürokratie gibt. Deswegen will ich Sie auch gar nicht zu sehr langweilen.

Wenn ich sage raus aus der Hängematte, dann meine ich, wir müssen handeln, nicht reden.

Der Bundeskanzler hat letzte Woche im Bundestag einen Deutschland-Pakt für mehr Tempo gefordert. Mich und meinen MP hat er dabei an seiner Seite.In Baden-Württemberg haben Landesregierung, Wirtschafts- und Kommunalverbände eine Entlastungsallianz für unser Land vereinbart. Auch wir müssen jetzt liefern. 

Da hilft auch kein Geld, kein Doppel-Wumms, kein Sondervermögen, das ist föderale Kärrnerarbeit. Das braucht politische Führung, das braucht auch Mut zur Lücke und weniger Absicherungskultur, und natürlich auch mehr Technologie.

Mein zweiter Punkt schließt bei der Bürokratie direkt an. Das häufigste Beispiel für den neuen Mut zur Veränderung und der Planungsbeschleunigung waren die LNG-Terminals im letzten Jahr.

Ich finde zurecht. Der Wirtschaftsminister hat einen neuen Maßstab gesetzt, der keine Eintagsfliege bleiben darf. Er muss Standard werden.

Ich spreche das Beispiel aber aus einem anderen Grund an. Mit dem Ende der russischen Gaslieferungen im letzten Jahr ist ein weiterer Faktor unseres ökonomischen Erfolgsmodells ins Wanken geraten:

Die billige Energie aus Russland.

Unsere Industrie und auch die Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor werden langfristig höhere Energiepreise zahlen müssen, als ihre Wettbewerber aus den USA und Asien.

Auch andere europäische Staaten sind im Vorteil, weil sie sehr viel früher und konsequenter ihre Energieversorgung angepasst haben. Aber natürlich spielt auch Geographie eine Rolle, es gibt Regionen mit mehr Wind und Sonne. Das ist nun mal so.

Ich habe eben über Dänemark gesprochen: mittlerweile ist das Land unser größter Stromlieferant. Die Erneuerbaren aus Dänemark, Schweden und Norwegen sind sehr viel günstiger, als unser fossiler Kohlestrom. Dieser wird deswegen besonders im Sommer nicht gebraucht.

Der europäische CO2-Preis ist ein Faktor dabei. Er macht fossile Energie teurer.  Der Markt funktioniert also an dieser Stelle - gerade auch grenzüberschreitend.

Im Winter ist unser Nachbar Frankreich trotzdem Hauptabnehmer für den in der Bundesrepublik erzeugten Strom. Ich werde nicht tiefer auf Frankreich und seine Atomkraftwerke eingehen.

Ich will keine Diskussion über das Für- und Wider dieser Energieerzeugung führen. In der Bundesrepublik wurde dazu vor über zehn Jahren ein Grundsatzbeschluss gefasst - übrigens in weitgehendem Konsens.

Der Fehler war, diesen Beschluss nicht mit den notwendigen Maßnahmen zu flankieren. Denn wer wo aussteigt, muss ja auch woanders einsteigen.

Am heutigen Tag ist der Bundeswirtschaftsminister beim Spatenstich für die Stromtrasse Suedlink an der Elbe. Vor ein paar Wochen war er dazu bei uns in BaWü.

Eigentlich hätte die Trasse längst fertig sein sollen. Nur mit ihr kann der günstige Windstrom aus dem Norden, die industriellen Zentren in Bayern und Baden-Württemberg erreichen.   

Meine Kollegen in der bayerischen Staatsregierung wissen, woran es lange geharkt hat: nicht immer ratsam, vor jedem Bürgerprotest einzuknicken oder sogar Monstertrassen herbeizureden. Da hätte es mehr politische Führung und Verantwortung gebraucht.

Der Beschluss für den Ausstieg aus der Atomkraft wurde von dieser Bundesregierung nun abermals final beschlossen. Durch den Klimawandel ist klar, dass die Zukunft unserer Energieversorgung weitestgehend CO2-neutral erfolgen muss.

Deswegen muss nun auch der Netzausbau in Deutschlandgeschwindigkeit erfolgen.

Privates Kapital mobilisieren statt alles den Staat machen zu lassen. Für mich ist es eine Option, die Finanzierung der Netzentgelte zumindest teilweise mit öffentlichen Mitteln zu kompensieren. So bleiben Unternehmen und Verbrauchern Zusatzkosten erspart.

Aus finanzpolitischer Sicht ist für mich auch die Senkung der Stromsteuer kein Tabu, um die Stromkosten zu senken.

Die Ampel diskutiert dafür gerade einen Brücken- oder Industriestrompreis. Mein Ministerpräsident unterstützt den Vorschlag. Ich kenne die Argumente dafür und dagegen. Beide Seiten nehme ich ernst. Für mich ist aber ein anderer Punkt relevant.

Die Ampel hat erkennbar keine einheitliche Position zum Brückenstrompreis. Außerdem ist unklar, ob die EU-Kommission so eine Subvention genehmigt.

Um nicht in eine Zeit der Planungsunsicherheit und offenen Diskussion zu verfallen, sollte analog zur Gaskommission schnell eine Expertenkommission eingesetzt werden, die alternative Beschlussvorschläge zur Senkung der Stromkosten erarbeitet.

Diese müssen dann zeitnah geprüft und beschlossen werden.

Aber auch wenn wir die Stromkosten in den Griff bekommen, dürfen wir alte Fehler nicht wiederholen. Wie eben gesagt muss der Ausbau der Netze beschleunigt werden. Und selbst, wenn das gelingt, brauchen wir mehr grundlastfähige Kraftwerke.

Wir dürfen nicht in neue Grundsatzdebatten über die Atomkraft verfallen. Um die Schwankungen bei den Erneuerbaren auszugleichen, brauchen wir den Zubau von flexiblen Gaskraftwerken - so schnell es geht.

Die Kraftwerke müssen selbstverständlich bereit für die Umstellung auf Wasserstoff sein. Experten sehen einen Zubaubedarf in der Größenordnung von 25 GW.

Wenn diese Kraftwerke in Süddeutschland entstehen, wird auch der Druck bei den Netzen geringer.

Auch hier halte ich es für gerechtfertigt, wenn öffentliche Mittel den Zubau-Prozess beschleunigen. WSF einen Fonds für die Energiekrise, die mE nicht nur das akute Jahr 2022 betreffen.

Kommission: Es geht also darum, die kurzfristige und die mittelfristige Perspektive zu verbinden. Und da stellen sich auch unbequeme Fragen: zB wenn Kostennachteile bei Energie bestehen bleiben, mehr Importe energieintensiver Vorprodukte? Und müssen wir dann nicht eher über einen Grundsockel aus Gründen der Souveränität sprechen? Dezernat Zukunft.

Themen zu wichtig als dass man im nächsten Koa Ausschuss einen politischen Kuhhandel macht, der der Sache nicht nutzt. Erfahrung aus dem Letzen Jahr mit Tankrabatten und 300 Pauschalen zeigen, dass oft Aktionismus aber wenig Strategisches herauskommt.

Politik bleibt das Primat, muss entscheiden. Und wie bei der Bürokratie braucht es den demokratischen Konsens aller. Wir können nicht alle vier Jahre unsere Strategie zur Energieversorgung in Frage stellen.

Zum Schluss komme ich nochmal zurück auf die originäre Finanzpolitik im engeren Sinne. Auch hier gibt es genügend Baustellen.

Aber wie beim Thema Bürokratieabbau ist die politische Veränderungsbereitschaft wenig ausgeprägt.

Und leider hat sich die Zäsur noch nicht überall herumgesprochen. Bundeshaushalt Beispiel: 70 Mrd. mehr, 20 weniger. Rasenmäher überall ein bisschen (beim Elterngeld, bei der BPB, bei KI und Quanten usw.)

Im Übrigen: in den Ländern nicht anders, aber da ist es eben geräuschloser.

Leider werden wir daher in naher Zukunft wohl keinen großen finanzpolitischen Wurf sehen. Zwar hat die Bundesregierung zumindest Vorschläge gemacht, wie wir steuerlich zusätzliche Investitionen (WCG) anreizen können. Aber auf lange Sicht wird das nicht ausreichen.

Eingangs habe ich über das Thema Fachkräfte gesprochen. Der Bedarf an gut ausgebildetem Personal wird in den nächsten Jahren stark ansteigen.

Trotz schwieriger gesamtgesellschaftlicher Lage herrscht aktuell nahezu Vollbeschäftigung. Das gab es in vorangegangenen Krisen nicht.

Aber trotzdem setzen wir steuer- und sozialpolitisch Anreize dafür, dass die Menschen früher in Rente gehen oder weniger Arbeiten.

Wenn wir nicht gegensteuern, wird unser Rentensystem deswegen einen Schock erleiden, wenn die Baby-Boomer in Rente gehen. Es ist eine Illusion, dass Lebensarbeitszeit, Renten- und Beitragshöhe eingefroren werden können.

Bei der Altersvorsorge droht die Bundesregierung außerdem die Chance zu verpassen, die Themen Aktienkultur und Finanzbildung zu stärken. Die kleine Lösung beim so genannten Generationenkapital wird in jedem Fall keine langfristige Abhilfe bei der Finanzierung der gesetzlichen Rente sein.

Schon jetzt können wir beobachten, was die Folgen dieser Politik sind: während bei den Steuern die Kalte Progression kompensiert wurde, spart der Bund bei den Zuschüssen für die Sozialversicherungen.

Als Folge steigen die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung. Was Arbeitnehmerinnen bei der Steuer mehr haben, wird bei den Sozialversicherungen so zum Teil wieder abgezogen.

Beim Bürgergeld wurde zuletzt etwas polemisch über die Folgen der Erhöhung diskutiert. Für mich hat die Debatte nur davon abgelenkt, dass wir keine Reform hinbekommen, die unsere arbeitende Mitte entlastet.

Christian Lindner Besuch letzte Woche. Man klagt sich gegenseitig sein Leid. Streitet übers Geld (erhebliche Konflikte Bund-Länder zu Flüchtlingen, 49 Euro Ticket, Altschuldenübernahme, Verantwortlichkeiten verwischen, nicht gut für den Föderalismus, aber das erspare ich ihnen heute, es sei denn in Diskussion mehr)

Aber gewundert habe ich mich dann schon über dogmatische Ablehnung des Vorschlags der Union, dafür zur Not auch den Spitzensteuersatz zu erhöhen, hat hier unser Dilemma sehr gut anschaulich gemacht.

Durch den rigorosen Ausschluss jeglicher Gegenfinanzierung wird der steuerliche Stillstand der großen Koalition fast eins zu eins weitergeführt.

Warum trauen wir uns nicht, neben der steuerlichen Förderung von E-Fuels gleichzeitig alte Zöpfe bei der steuerlichen Subventionierung fossiler Kraftstoffe abzuschneiden?

An meinen politischen Freundeskreis gerichtet: warum trauen wir uns nicht, steuerliche Investitionsanreize zu setzen, die eine ernsthafte Antwort auf den Inflation Reduction Act geben?

Und warum trauen wir uns nicht, den verbliebenen Soli in die Einkommensteuer zu integrieren und dabei gleichzeitig unsere Facharbeiterinnen und Meister zu entlasten?

Über leichte Tarifanpassungen ist dabei eine Kompensation der öffentlichen Kosten möglich. Ich finde das auch gerechtfertigt.

Denn Spitzenverdiener haben zuletzt überproportional von den Energie- und Inflationshilfen profitiert.

Am Ende kommt es auch nicht auf die Spitzen, sondern auf die Durchschnittsbelastung an.

Nebenbei könnten wir den Arbeitnehmerpauschbetrag auf 1500 Euro anheben. So würden 80 Prozent der Arbeitnehmer und die Verwaltung von bürokratischem Aufwand entlastet.

In Verbindung mit der Soli-Integration wäre das immerhin eine kleine Einkommensteuerreform.

Und wenn wir beim Ehegattensplitting dann nicht auf billigen Applaus, sondern auf ernsthafte Verbesserung hinarbeiten und etwas liefern, dann hätten wir sogar eine große Einkommensteuerreform.

Herr Peichl und das Ifo haben dafür gute Vorschläge gemacht. Hier würde ich mir einfach weniger Politik, weniger Kulturkampf, mehr Politikberatung und mehr Sachlichkeit wünschen.

Meine Damen und Herren,

ich denke, ich habe genügend Themen für die anschließende Diskussion geliefert.

Einen Punkt möchte ich aber nicht als Elefant im Raum stehen lassen. Wie weiter mit unserer Schuldenbremse? Ich persönlich gehöre zu den Verteidigern dieser Regel.

Ich weiß auch, dass eine Reform aktuell praktisch unmöglich ist, weil Mehrheiten fehlen. Aber wo stehen wir gerade: Krisenjahre 2020-2022 mit Rekordschulen, Geld auf alles, Sondervermögen, Umbuchungen von Kreditermächtigungen, bis an den Rand der Verfassung.

Und von einem aufs nächste Jahr eine 180 Grad Wende. Das schmerzt. Und da muss es doch vernünftigere Wege geben, sonst höhlt man die SB immer weiter aus. Dennoch sollte es auch hier keine Denkverbote geben. Denn auch wenn die Schuldenbremse die staatlichen Haushalte nach der Finanzkrise stabilisiert hat, und sie auch funktioniert (Ausnahme in der Krise).

Tilgung BaWü ab 2024, im Bund. Ab 2028 werden wir in die Tilgung dieser Schulden einsteigen müssen. Da klafft jetzt schone eine große Lücke, die wird eher größer und nicht kleiner. Junger 18-Jähriger zahlt 2/3 seines Lebens ab. Spielräume bleiben also eng. Das macht es auch uns in Ländern und Kommunen schwieriger. Dazu steigende Zinsen.

Für Investition in Megathemen wie Digitalisierung oder den Klimaschutz, wie die Modernisierung der Infrastruktur ist dann noch weniger Spielraum als aktuell. Aber ohne Investitionen verlieren nicht nur Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit. Für Staaten gilt das gleiche

Und anders als Christian Lindner manchmal suggeriert, kann auch schuldenfinanziertes Wachstum nachhaltig sein. Es muss mit Augenmaß sein. Und es muss Fokus auf Investitionen sein. Schwäbische Hausfrau vs schwäbische Unternehmerin.

Die Ergänzung der Schuldenbremse um eine Investitionsklausel würde das ermöglichen. Dafür habe ich schon vor ein paar Jahren geworben.

Ich werde das auch weiter tun, auch wenn es für manche unbequem ist. Aber mit Bequemlichkeit kommen wir nicht weiter.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.