Steuern

Die Finanzverwaltung im Nationalsozialismus: Studie vorgestellt

Berechne Lesezeit
  • Teilen
Steuern Die Finanzverwaltung im Nationalsozialismus: Studie vorgestellt

Bei der Verfolgung von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus hat die Finanzverwaltung in Baden und Württemberg eine aktive Rolle gespielt. Beamtinnen und Beamte diskriminierten jüdische Mitmenschen gezielt steuerlich und plünderten sie aus. Die Finanzbehörden waren damit effiziente Geldbeschaffer für Aufrüstung und Kriegsführung des NS-Staats.

Zu diesem Schluss kommt die Studie „Die Finanzverwaltung in Baden und Württemberg im Nationalsozialismus“, die heute in Stuttgart vorgestellt wurde. Dr. Christoph Raichle von der Universität Stuttgart widerlegt in der Untersuchung das lange vorherrschende Bild von wenig ideologisch besetzten, unbestechlichen und ausschließlich an der Sache orientierten Finanzbehörden. „Die Studie macht deutlich, dass die Oberfinanzdirektionen und die Finanzämter Teil der Judenverfolgung waren. Sie waren tief verstrickt in den Nationalsozialismus“, sagte Finanzministerin Edith Sitzmann.

Es ist die erste umfassende Untersuchung der konkreten Praxis der Finanzverwaltung der Jahre 1933 bis 1945 in den früheren Ländern Baden und Württemberg. Das Ministerium hatte die Forschungsarbeit 2012 angestoßen und mit insgesamt 210.000 Euro unterstützt.

„Die scheinbar kleine Welt der Steuern und Abgaben war lange Zeit nicht gerade im Fokus der Erforschung des Nationalsozialismus“, stellte Professor Dr. Wolfram Pyta fest, Leiter der Abteilung Neuere Geschichte des Historischen Instituts der Universität Stuttgart. „Dabei waren die Gestaltungsspielräume größer als bislang angenommen. Viele Beamte bereicherten sich hemmungslos am Hab und Gut deportierter Juden. Die Studie ist damit ein quellengesättigter Beitrag zur NS-Verbrechensgeschichte.“

Der Autor der Studie, Dr. Raichle, betonte: „Die vielen ausgewerteten Einzelfälle machen in bedrückender Weise deutlich, wie professionell und effizient die Finanzbeamtenschaft auch im Südwesten ,funktionierte', wie jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger vor ihrer erzwungenen Auswanderung und den Deportationen ab 1940/41 immer stärker ausgeplündert wurden. Auch Beamte, die nicht zu den fanatischen Parteiaktivisten zählten, machten sich so zu Werkzeugen einer Gewaltherrschaft, die ohne die Mitarbeit dieser vielen Verwaltungsexperten nie eine solche mörderische Effizienz entfaltet hätte.“

Für die Finanzministerin ist die Untersuchung ein beklemmender Blick zurück, der Wirkung in die Gegenwart hinein hat: „Es ist das eine, auf das furchtbarste, dunkelste Kapitel der Geschichte unsere Landes zu schauen und zu sagen: nie wieder“, so Sitzmann. „Es ist das andere, die Mechanismen und die Strukturen der abscheulichen Verbrechen zu kennen - um sie nie wieder zuzulassen. Diese Kenntnis ist heute wichtiger denn je.“

Weitere Informationen:
Christoph Raichle: Die Finanzverwaltung in Baden und Württemberg im Nationalsozialismus, Stuttgart: Kohlhammer 2019, 949 Seiten, 46 Abbildungen, ISBN 978-3-17-035280-3, 98 Euro.

Weitere Meldungen

Leere Holzstühle in einem Klassenzimmer, unscharfe grüne Tafel im Hintergrund.
Haushalt

Arbeitsgruppe Lehrerstellen legt Abschlussbericht vor

Visualisierung Neubau HLRS III an der Universität Stuttgart
Vermögen und Bau

Grundstein für Neubau HLRS III an der Universität Stuttgart gelegt

Ein Mitarbeiter geht durch einen Büroraum.
Innovation

Neue Landesgesellschaft soll Start-ups stärken

Barocke Innenansicht der Pfarrkirche St. Magnus in Bad Schussenried: Blick vom Kirchenschiff auf Chor und Hochaltar mit reich verzierten Chorgestühlen, Kanzel, Deckenfresken und gelben Info-Punkten des digitalen 360°-Rundgangs.
Schlösser und Gärten

Neuer digitaler Rundgang durch Pfarrkirche St. Magnus Bad Schussenried

Podcast

Was tun gegen den finanziellen Kollaps der Kommunen, Boris Palmer?

Finanzminister Danyal Bayaz spricht im Plenarsaal des Landtags am Redepult, im Vordergrund scharf zu sehen. Im unscharfen Hintergrund sitzt Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Haushalt

Nachtragshaushalt 25/26: Unterstützung für Kommunen, gezielte Investitionen

Staatssekretärin Gisela Splett hält die Vorderseite der frisch geprägten Medaille in die Kamera – das Koala Motiv ist zu erkennen.
Beteiligungen

Staatliche Münzen prägen neue Wilhelma-Medaille

Dummy Image
Haushalt

Sondervermögen: So sieht die Verteilung auf Kommunen und Landkreise aus

Visualisierung vom neuen Forum Uni Konstanz
Vermögen und Bau

Spatenstich für das neue Forum und die neue Großwärmepumpe an der Uni Konstanz

Euro-Banknoten und -Münzen
Haushalt

Regierungsentwurf für den Nachtragshaushalt verabschiedet

Visualisierung Neubau Cyber Valley an der Universität Tübingen
Vermögen und Bau

Neubau Cyber Valley I an die Uni Tübingen übergeben

Visualisierung des Neubaus Physik an der Universität Stuttgart
Vermögen und Bau

Spatenstich für den Neubau Physik an der Universität Stuttgart

Podcast

Was können wir von Matthias Erzberger lernen? – mit Prof. Wolfram Pyta

Portrait von Finanzminister Dr. Danyal Bayaz
Steuerschätzung

Land kann mit Steuerplus rechnen

Historische Schwarz-Weiß-Aufnahme von Matthias Erzberger, sitzend an einem Schreibtisch mit Aktenstapel, aufgenommen in einem Innenraum. Foto aus dem Bundesarchiv.
Rede

Steuerreform als Staatsreform – Matthias Erzbergers Vermächtnis