Trotz zahlreicher konjunktureller Warnungen kann Baden-Württemberg für das laufende Jahr vorerst mit höheren Steuereinnahmen rechnen. Das ergab die Herbststeuerschätzung für das Land. Im Vergleich zum Haushalt 2018/2019 (Stand: Nachtrag) rechnen die Experten mit einem Plus von rund 96 Millionen Euro für 2019 (insgesamt 30,38 Milliarden Euro). Hauptgrund für die positive Entwicklung ist, dass Baden-Württemberg rund 590 Millionen Euro weniger in den Länderfinanzausgleich einzahlen muss als erwartet.
2020 wird die bundesweite Entwicklung der Konjunktur etwas verhaltener prognostiziert. Das wirkt sich auf die Steuereinnahmen in Baden-Württemberg aus. Im Vergleich zur Steuerschätzung vom Mai 2019 ist für die Jahre 2020 und 2021 zwar von höheren Einnahmen auszugehen: 2020 liegen sie um 482 Millionen Euro höher, 2021 um 487 Millionen Euro (Steuereinnahmen (netto) insgesamt 31,31 Milliarden Euro und 32,23 Milliarden Euro). Doch im Vergleich zur Steuerschätzung vom Herbst 2018 liegen die prognostizierten Einnahmen noch immer 121 und 119 Millionen Euro niedriger. „Das sind gute Nachrichten für Baden-Württemberg, ein Teil des bisher prognostizierten Rückgangs scheint wieder ausgeglichen zu sein”, sagte Finanzministerin Edith Sitzmann.
Im Mai hatte das Land noch davon ausgehen müssen, dass die Einnahmen 2020 und 2021 um 603 und 606 Millionen Euro unter der vorangegangenen Schätzung liegt. Dieser erwartete Rückgang ist auch im Regierungsentwurf für den Doppelhaushalt 2020 und 2021 so berücksichtigt.
Die Stimmung in immer mehr Unternehmen, vor allem im Automobilsektor und Maschinenbau, sei derzeit angespannt. Nach wie vor beherrschten vor allem unwägbare Risiken die Lage in den Unternehmen. „Die Steuerschätzung zeigt zwar die Sorge und die Unsicherheit in den Unternehmen um den Brexit oder den Handelskonflikt zwischen den USA und China. Sie kann aber nicht vorhersagen, wie sich diese Risiken konkret auswirken und was das für die Steuereinnahmen bedeutet“, sagte Sitzmann. Das Land müsse deshalb besonders vorsichtig agieren, betonte sie: Baden-Württembergs Wirtschaft wachse mit seinem hohen industriellen Anteil in Aufschwungphasen zwar meist überdurchschnittlich. „Aber wir sind zugleich von internationalen Risiken schneller betroffen als andere Länder. Dafür müssen wir vorsorgen.“ Ab 2020 gelte außerdem die Schuldenbremse für Baden-Württemberg, die mehr Vorsorge verlange.
Die Ergebnisse der Steuerschätzung sollen noch am Montagabend (4. November) Eingang in Beratungen der Haushaltskommission der Koalition finden. Dabei geht es auch um die Frage, wie weit das Land sich für die bestehenden Risiken wappnen kann. „Ich empfehle dringend, im Haushalt spürbar für konjunkturelle Risiken vorzusorgen. Baden-Württemberg steht finanziell gut da und muss handlungsfähig bleiben, auch wenn es finanziell schlechter läuft“, sagte Sitzmann. „Gerade der Blick auf 2022 zeigt, dass wir vorsorglich nicht von einer kleinen Delle ausgehen sollten. Die Risiken sind groß“, betonte Sitzmann. 2022 ist mit einem Minus von rund 147 Millionen Euro im Vergleich zur Mittelfristigen Finanzplanung zu rechnen (Steuereinnahmen von rund 33,18 Milliarden Euro).
Für die 1101 Kommunen in Baden-Württemberg ändert sich mit der neuen Steuerschätzung wenig. Sie müssen 2019 mit rund 11 Millionen Euro weniger rechnen. 2020 werden rund 4 Millionen Euro Mindereinnahmen geschätzt, 2021 soll das Minus sich auf 42 Millionen Euro belaufen.