„Die aktuelle Finanzkrise hat gezeigt, dass eine Stärkung der Finanzaufsicht unumgänglich ist, damit sich Ähnliches nicht wiederholt. Angesichts der weltweiten Verflechtungen der Finanzmärkte ist eine international abgestimmte Lösung erforderlich. Die nunmehr von der EU-Kommission vorgelegten Verordnungsentwürfe sind daher grundsätzlich zu begrüßen. Bei zentralen Punkten der geplanten Neuordnung der EU-Finanzaufsicht besteht allerdings noch erheblicher Nachbesserungsbedarf. Insbesondere Zentralisierungstendenzen und Verfahren ohne ausreichende Einbindung der Mitgliedstaaten können wir nicht akzeptieren.“ Dies sagte Finanzminister Willi Stächele am Freitag (23. Oktober 2009) in Stuttgart. Auch der Finanzausschuss des Bundesrates habe sich am Vortag dieser Argumentationslinie angeschlossen und fordere Änderungen.
Die EU plane unter anderem europäische Aufsichtsbehörden für den Banken-, Versicherungs- und Wertpapiersektor, so Stächele. Es sei beabsichtigt, diese mit umfangreichen Kompetenzen auszustatten. „Die vorgelegten Verordnungsentwürfe sehen etwa im Krisenfall ein Weisungsrecht der neuen europäischen Aufsichtsbehörden gegenüber den nationalen Aufsehern vor. Sollte die Weisung Auswirkungen auf die 'haushaltspolitische Zuständigkeit' des entsprechenden Mitgliedstaates haben, kann dieser der Entscheidung zwar widersprechen. Einigen sich die europäische Aufsichtsbehörde und der Mitgliedstaat jedoch nicht, entscheidet der ECOFIN-Rat mit qualifizierter Mehrheit. Dieses Verfahren können wir nicht akzeptieren. Das Haushaltsrecht gehört zum Kernbereich nationalstaatlichen Handelns. Über dieses elementare Recht jedes einzelnen Mitgliedstaates darf keine europäische Institution verbindlich entscheiden. Es kommt erschwerend hinzu, dass der Begriff 'haushaltspolitische Zuständigkeit' nicht einmal definiert ist“, führte der Minister aus.
Auch das vorgesehene direkte Weisungsrecht der EU-Aufsichtsbehörden gegenüber den Finanzinstituten vor Ort sei abzulehnen, so Stächele. Denn dadurch verschaffe sich die EU unbefugterweise direkten Einfluss auf Ebene der Mitgliedstaaten. „Die laufende Aufsicht der Institute obliegt allein den nationalen Behörden. Zur Kontrolle mitgliedstaatlichen Handelns sieht der EG-Vertrag das Vertragsverletzungsverfahren vor“, teilte der Finanzminister mit.
Die Verordnungsentwürfe räumten den europäischen Aufsichtsbehörden und der EU-Kommission des Weiteren das Recht ein, ein europäisches Regelwerk mit verbindlichen, technischen Standards für alle Finanzinstitute in der EU zu entwickeln, so Stächele. „Eine effiziente Aufsicht braucht grundsätzlich EU-weit einheitliche technische Standards. Allerdings ist bei deren Entwicklung eine ausreichende demokratische Legitimierung sicherzustellen. Es muss daher darauf hingewirkt werden, dass das Europäische Parlament und der Rat ausreichend an dem Verfahren beteiligt werden“, forderte der Minister.
Bei den aktuellen Reformüberlegungen zur europäischen Finanzaufsicht müsse zudem sichergestellt werden, dass den Besonderheiten nationaler und regionaler Märkte ausreichend Rechnung getragen werde. Insbesondere die baden-württembergischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken seien stabilisierende Säulen des deutschen Bankensystems. „Nur Institute, die grenzüberschreitend tätig sind, sollten von europäischen Einheitsregelungen erfasst werden“, sagte Stächele abschließend.
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Die EU will die europäische Finanzaufsicht reformieren. Diese soll künftig auf zwei Säulen aufbauen. Geplant sind drei EU-Behörden (Microaufsicht) und ein neues Aufsichtsgremium der Zentralbanken (Macroaufsicht). Die EU-Kommission hat hierzu folgende Verordnungsentwürfe vorgelegt:
Microaufsicht
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung
- einer Europäischen Bankaufsichtsbehörde,
- einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das
Versicherungswesen und die betriebliche
Altersversorgung sowie
- einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde.
Macroaufsicht
Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken auf die Europäische Zentralbank.
Quelle:
Finanzministerium