„Das Bundesverfassungsgericht bestätigt einmal mehr den Grundsatz, dass die Finanzbehörden bei Festsetzung und Erhebung von Steuern wirtschaftliche Krisen von Steuerbürgern oder Unternehmen zur Vermeidung unbilliger Härten angemessen in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen müssen. Die erneute Klarstellung durch das Bundesverfassungsgericht sei dennoch im Sinne eines einheitlichen Steuervollzugs der Länder zu begrüßen." Dies sagte Finanzminister Willi Stächele am Donnerstag (15. Oktober 2009) in Stuttgart.
„Baden-Württemberg ist das Land des Mittelstandes. Kleine und mittlere Unternehmen sowie Selbständige bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft. Sie sind von der Finanz- und Wirtschaftskrise besonders betroffen, da unsere Abhängigkeit von Exporten hoch ist. Bei der Festsetzung oder Erhebung von Steuern werden mögliche wirtschaftliche Notsituationen berücksichtigt. Dazu gehört es selbstverständlich auch, unbillige Härten für unsere Unternehmer zu vermeiden und bei Entscheidungen mit aufschiebender Wirkung gegebenenfalls auf die Beibringung einer Sicherheitsleistung zu verzichten," so Stächele.
In dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall sei einem Unternehmer einstweiliger Rechtsschutz in Form einer Aussetzung der Vollziehung nur unter überhöhter Sicherheitsleistung zugestanden worden. Damit aber, so das höchste Gericht, werde die Garantie des effektiven Rechtsschutzes verletzt. Das zuständige Finanzamt hätte genauer überprüfen müssen, ob hier nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein Verzicht auf die Sicherheitsleistung geboten war, so das Verfassungsgericht. Das Grundgesetz verbiete es, den Zugang zu einem Rechtsbehelf - dazu gehöre auch die Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung - in aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren.
Bei der Prüfung von Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung im Einspruchsverfahren nehmen baden-württembergische Finanzämter im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben stets Rücksicht auf die finanziellen Schwierigkeiten der Betroffenen. Gerade in diesen Fällen müsse im Zuge der vom Gesetzgeber verlangten pflichtgemäßen Ermessensausübung genau geprüft werden, ob eine Sicherheitsleistung zumutbar sei, sagte Stächele.
Auch das den Veranlagungs- und Vollstreckungsstellen der Finanzämter darüber hinaus zur Verfügung stehende gesetzliche Instrumentarium lasse ausreichend Raum für die Berücksichtigung wirtschaftlicher Notsituationen von Unternehmen, so der Finanzminister. Als Billigkeitsmaßnahmen bei der Festsetzung oder Erhebung von Steuern komme die Stundung, der (Teil-) Erlass, die abweichende Festsetzung oder der Vollstreckungsaufschub in Betracht. Entsprechende Anträge seien bei dem zuständigen Finanzamt zu stellen. „Die Finanzämter in Baden-Württemberg wägen bei ihren Ermessensentscheidungen die gesamten Umstände des Einzelfalls ab, reagieren in Notlagen entsprechend und finden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben praxisgerechte Lösungen", führte der Finanzminister aus.
Quelle:
Finanzministerium