Archäologie

Pfahlbausiedlungen der Jungsteinzeit bei Bad Schussenried im Kreis Biberach

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Regierungsvizepräsident Josef Kreuzberger stellte am Dienstag (8. Juli 2009) gemeinsam mit Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart einen herausragenden Fund im Rahmen einer Sondierungsgrabung der Öffentlichkeit vor. Es handelt sich bei den rund 5.000 Jahre alten Funden in der Hauptsache um drei jungsteinzeitliche Räder, frühe Zeugnisse einer bahnbrechenden menschlichen Erfindung, die heute an ihrem Fundort im Olzreuter Ried, einem Moor in Oberschwaben (Bad Schussenried im Landkreis Biberach) präsentiert wurden. Hier befinden sich in den Ablagerungen eines ehemaligen Sees Pfahlbausiedlungen der Jungsteinzeit. Daneben wurden auch weitere hölzerne Gebrauchsgegenstände aus dieser Zeit wie beispielsweise eine Backschaufel oder ein Axtholm gefunden.

Mit Blick auf den auch vom Land Baden-Württemberg vorbereiteten internationalen Weltkulturerbeantrag bei der UNESCO für die Pfahlbauten im Alpenraum betonte der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Richard Drautz: „An keinem anderen Ort der Welt wird die Entwicklung jungsteinzeitlicher und metallzeitlicher Siedlungsgemeinschaften so deutlich und auf so faszinierende Weise sichtbar. Aufgrund der international anerkannten Forschungsarbeit unserer Feuchtboden- und Unterwasserarchäologie kann dort Kultur, Wirtschaft und Umwelt des Menschen vom 5. bis ins 1. Jahrtausend v.Chr. detailliert erhellt werden.“

Der Leiter der Arbeitsstelle Hemmenhofen des Landesamtes für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart, Dr. Helmut Schlichtherle, ein international angesehener Fachmann für Unterwasser- und Feuchtbodenarchäologie, der die Sondierungsgrabung leitete und vor einigen Monaten auch den Fund einer Steinzeit-Sandale in Sipplingen vorstellte, betonte, dass die neuen Funde zwar keinesfalls die ältesten Räder (den Rekord halten derzeit Funde in Stare gmajne, Slowenien, und in Zürich) darstellten, aber zur Gruppe der ältesten Räder gehörten. Die neuen Funde vom Olzreuter Ried, insbesondere der eines zusammengesetzten Vollscheibenrades, von dem beide Teile komplett erhalten sind, seien von großer wissenschaftlicher Bedeutung, denn sie eröffneten weitere Datierungsmöglichkeiten und technologische Erkenntnisse.

Eines der drei Räder ist nahezu vollständig erhalten und weist einen Durchmesser von 56 Zentimetern auf. Es besteht aus Ahorn-Holz, verfügt über ein rechteckiges Achsloch sowie über aus zwei Teilen zusammengesetzte und mit Einschubleisten zusammengehaltene Vollholzscheiben, wie in der Nähe gefundene Fragmente zweier weiterer Räder erkennen lassen. Die Funde liegen in Fundschichten aus der Zeit um 2900-2800 v.Chr. und gehören somit zu den wenigen erhaltenen, weltweit ältesten Radfunden. Die mittlerweile vorliegende exakte Datierung im dendrochronologischen Labor des Landesamtes für Denkmalpflege in Hemmenhofen ergab als Datum das Jahr 2897 v.Chr.

Schlichtherle wies auch darauf hin, dass die Radscheiben durch die jahrtausendelange Lagerung im Moor weich geworden und teilweise zerbrochen seien. Wurzeln eines modernen Fichtenforstes seien durch sie hindurchgewachsen. Die Bergung erfordere besondere Sorgfalt und Sachverstand. Nach eingehender Dokumentation und Untersuchung werde die Konservierung in den Werkstätten des Landesamtes für Denkmalpflege in Esslingen durchgeführt. Die Radfunde würden dort einem speziellen Gefriertrocknungsverfahren unterzogen und für die museale Präsentation restauriert.

Die Fundstellen im Olzreuter Ried bei Schussenried werden durch Vermessungen, Bohrungen und Sondiergrabungen derzeit genauer untersucht, weil durch Entwässerung und Durchwurzelung Schäden an der archäologischen Substanz zu verzeichnen sind. Zudem ist vorgesehen, das „Olzreuter Ried“ in die Liste derjenigen Pfahlbausiedlungen aufzunehmen, für die der UNESCO-Welterbetitel beantragt wird. Auch deshalb sind ausreichende Dokumente zur Umgrenzung der Fundstellen und ihres Erhaltungszustandes erforderlich.

Die steinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten in den Seen und Mooren des Alpenvorlandes gehören aufgrund optimaler Erhaltung organischer Materialien zu den bedeutendsten archäologischen Fundstätten der Frühgeschichte Europas. Der internationale Antrag wird unter der Federführung der Schweiz, unter Beteiligung der Alpenländer Baden-Württemberg, Bayern, Österreich, Slowenien, Italien und Frankreich 2010 bei der UNESCO eingereicht werden.

Quelle:

Wirtschaftsministerium

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