„Die aktuelle Finanzkrise hat gezeigt, dass eine Stärkung der Finanzaufsicht unumgänglich ist, damit sich Ähnliches nicht wiederholt. Angesichts der weltweiten Verflechtungen der Finanzmärkte ist eine international abgestimmte Lösung erforderlich. In dieser Analyse sind wir uns einig. Das von der Europäischen Union (EU) geplante europäische Finanzaufsichtssystem schüttet das Kind jedoch mit dem Bade aus. Den entsprechenden Zentralisierungstendenzen müssen wir mit großer Skepsis begegnen. Denn die EU beruht auf dem Grundsatz der Subsidiarität. Dieser wird durch bisherige Vorschläge mit den Füßen getreten.“ Dies sagte Finanzminister Willi Stächele am Montag (31. August 2009) in Stuttgart.
Die Europäische Union plane europäische Aufsichtsbehörden für den Banken-, Versicherungs- und Wertpapiersektor, so Stächele. Es sei beabsichtigt, diese mit umfangreichen Kompetenzen auszustatten. „Insbesondere das den neuen Aufsichtbehörden zugedachte Letztentscheidungsrecht bei Richtlinienvorgaben und der Streitschlichtung zwischen verschiedenen nationalen Aufsichtsbehörden ist problematisch. Soweit dadurch in haushaltspolitische Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten eingegriffen würde, könnten die Entscheidungen europäischer Behörden Kernbereiche nationalstaatlichen Handelns berühren. Das lehnen wir kategorisch ab, denn das Haushaltsrecht ist elementares Recht jedes einzelnen Staates. Durch die Schaffung der drei europäischen Aufsichtsbehörden besteht zudem die Gefahr der Kompetenzverlagerungen auf demokratisch weder legitimierte, noch ausreichend kontrollierte EU-Einrichtungen. Davon haben wir schon genug. Auf die Einhaltung der europa- und verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten muss strikt geachtet werden“, forderte der Minister.
Gerade das kürzlich ergangene Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe hier enge Leitplanken eingezogen. Es habe klargestellt, dass die nationalen Kernbereiche staatlichen Handelns von der EU unbedingt beachtet werden müssten. „Hier müssen wir auch in Zukunft eigenständig und unabhängig entscheiden können. Auch in Zukunft kann nur der Bundestag unter Mitwirkung des Bundesrates über finanzielle Belastungen für unsere Bürger entscheiden. Dieses Recht ist Teil der Verfassungsidentität unseres Landes und darf nicht auf die EU übertragen werden“, so Stächele.
Bei den aktuellen Reformüberlegungen zur europäischen Finanzaufsicht müsse zudem sichergestellt werden, dass den Besonderheiten nationaler und regionaler Märkte ausreichend Rechnung getragen werde. „Gerade die baden-württembergischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben die Finanzkrise weder ausgelöst, noch benötigen sie milliardenschwere Rettungspakete auf Kosten der Steuerzahler. Sie sind vielmehr stabilisierende Säulen des deutschen Bankensystems. Dies zeigt sich gerade wieder ganz aktuell. Während andere zögerlich agieren, weiten die baden-württembergischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken ihre Kreditvergabe auch in diesem Jahr deutlich aus. Dadurch leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Stützung der heimischen Wirtschaft und zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Das erfolgreiche Drei-Säulen-Modell im deutschen Bankensektor darf daher nicht unter europäischen Einheitsregelungen leiden. Darauf muss geachtet werden“, teilte der Finanzminister mit.
Abschließend wies Stächele darauf hin, dass die Anforderungen für die Finanzwirtschaft in Deutschland bereits mit dem im Juli verabschiedeten Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht verschärft wurden. Dabei habe eine Initiative Baden-Württembergs dazu geführt, bezüglich der erforderlichen Fachkenntnisse von Verwaltung- und Aufsichtsorganen gerade bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken eine praxisgerechte Lösung zu finden.
Quelle:
Finanzministerium